Mehr Naturschutz, weniger Seuchen: Sind wir etwa selbst Schuld am Corona-Ausbruch?
Autor: Redaktion
Berlin, Freitag, 03. April 2020
Umweltministerin Svenja Schulze von der SPD sieht in der Naturzerstörung einen Zusammenhang mit dem Ausbruch der Corona-Pandemie. Kann also ein besserer Naturschutz für eine Verringerung von Seuchen sorgen? Und sind die Menschen am Ende gar selbst Schuld an der Corona-Krise?
Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) hat gefordert, aus der Corona-Pandemie Lehren für den künftigen Umgang des Menschen mit Ökosystemen zu ziehen. Weltweiter Naturschutz könne das Risiko künftiger Seuchen verringern, erklärte Schulze am Donnerstag (2. April 2020) in Berlin. Wissenschaftlichen Erkenntnisse zufolge mache die Zerstörung von Ökosystemen Krankheitsausbrüche bis hin zu Pandemien wahrscheinlicher. Es sei nicht egal, ob irgendwo auf der Welt Lebensräume vernichtet würden, sagte Schulze: „Die Viren kommen ja wieder bei uns an.“
Schulze sagte, 70 Prozent der bekannten Erreger stammten ursprünglich aus dem Tierreich, darunter HIV, Ebola, Vogelgrippe, Mers, Sars und das neuartige Coronavirus. Übersprünge vom Tier zum Menschen seien bislang selten gewesen. Wenn aber Mensch und Tier auf immer engerem Raum zusammenkommen, „dann kann das eben besonders gefährlich werden“, sagte die Ministerin. Dies geschehe, indem Menschen in Urwälder eindringen und die biologische Vielfalt reduzieren oder sogar vernichten, erklärte sie. Arten, die überleben, müssten sich danach den Lebensraum mit Menschen teilen. Naturschutz könne daher „zu einer Art Lebensversicherung“ werden.
Risiko für Übertragung von Erregern von Tier zu Mensch steigt
Für die Zeit nach der Pandemie forderte Schulze einen internationalen Rahmen für den Naturschutz und Erhalt der Artenvielfalt. Zum Schutz vor neuen Infektionskrankheiten müsse insbesondere gegen den illegalen Handel mit Wildtieren vorgegangen werden, sagte Schulze und verwies auf die deutsche Unterstützung für Projekte gegen Wilderei in afrikanischen und asiatischen Ländern. Sandra Junglen vom Institut für Virologie an der Berliner Charité sagte, zur Herkunft des neuartigen Coronavirus gebe es noch keine genauen Daten. Es deute aber viel daraufhin, dass es ursprünglich von Fledermäusen komme. Generell gelte, dass in einem intakten Ökosystem jede Art ihren Platz habe. Gerate es aus dem Gleichgewicht, etwa weil Wälder für die Landwirtschaft gerodet werden, steige das Risiko für die Übertragung von Erregern auf Menschen.
Die Grünen kritisierten, es müsse nicht nur der illegale Handel mit Wildtieren bekämpft, sondern ein Importverbot für Wildtiere erlassen werden. Gehandelt werden dürfe nur mit Arten, die unter Berücksichtigung des Artenschutzes und von Gesundheits- und Sicherheitsaspekten unbedenklich seien, forderte die Sprecherin für Naturschutz der grünen Bundestagsfraktion, Steffi Lemke. Die Bundesregierung habe vielfach weitergehende Regeln angekündigt, passiert sei aber nichts.
Sandra Junglen erläuterte, in zerstörten Ökosystem verbreiteten sich Erreger schneller als in intakten Lebensräumen. Dies sei etwa der Fall, wenn Regenwald für Intensiv-Landwirtschaft vernichtet werde. Konkret nannte Schulze in diesem Zusammenhang die wichtigsten deutschen Agrar-Importe wie Soja oder Palmöl. Der Anbau dieser Produkte brauche 13 Prozent der Fläche Deutschlands in anderen Ländern.
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Damit stiegen auch die Übertragungswahrscheinlichkeit von Erregern auf Menschen und die Wahrscheinlichkeit für den Ausbruch neuer Infektionskrankheiten. Junglen ist Leiterin einer Arbeitsgruppe, die den Zusammenhang von Naturzerstörung und Infektionskrankheiten erforscht. Die Wissenschaftlerin warnte: Es komme darauf an, die Zusammenhänge zu erkennen, bevor ein neuartiges Virus auf den Menschen übergehe. Eine ausgewogene Artengemeinschaft sei ein wichtiger Schutz gegen die Ausbreitung von Krankheiten.
red/mit dpa und epd