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"Man hat mich in die rechte Ecke gestellt": Horst Seehofer im Abschiedsinterview


Autor: Redaktion

Berlin, Freitag, 18. Januar 2019

Im Abschiedsinterview spricht der scheidende CSU-Chef über seine Vergangenheit als Parteivorsitzender und seine Zukunft als Bundesinnenminister.
Horst Seehofer übergibt das CSU-Ruder endgültig an Markus Söder. Foto: Bernd von Jutrczenka/dpa


An diesem Wochenende geht in der CSU eine Ära zu Ende. Horst Seehofer, der zehn Jahre lang die CSU als Parteichef geprägt hat, übergibt das Ruder endgültig an seinen einstigen Rivalen Markus Söder, der ihn bereits im Amt des Ministerpräsidenten abgelöst hat. Im Interview zieht Seehofer Bilanz.

Horst Seehofer im Interview: "Einen Rechtsruck in der CSU hat es nie gegeben."

Herr Seehofer, am Samstag werden Sie nach mehr als zehn Jahren den CSU-Parteivorsitz abgeben. Muss man Sie sich als einen zufriedenen Menschen vorstellen?

Horst Seehofer: Ja. Ich bin rundum zufrieden. Ich schaue auf ein erfülltes politisches Leben. 39 Jahre an vorderer und vorderster Front der bayerischen und deutschen Politik. Und das Werk war nicht nur lang, es ist insgesamt auch geglückt.

Sie wirken entspannt, die CSU setzt auf Harmonie, die CDU auch. Ist das nicht fast langweilig?

Seehofer: Unsinn, das ist ja auch nur eine Momentaufnahme. So wird es nicht auf Dauer bleiben. Es wird auch mal wieder Debatten geben, in denen es zu Spannungen zwischen bayerischen Anliegen und Bundesanliegen kommt. Nehmen Sie den Digitalpakt, der gerade ansteht und bei dem wir bayerische Bildungspolitik verteidigen müssen. Oder die Reform der Grundsteuer, die der SPD-Bundesfinanzminister Olaf Scholz plant und die keine verkappte Vermögensteuer werden darf - denn die würde das erfolgreiche Bayern besonders hart treffen.

Ein CSU-Vorsitzender muss also immer balancieren zwischen Bavaria First und dem Bund?

Seehofer: Das habe zumindest ich in meiner Arbeit immer so gehalten. Wir waren in meiner Zeit als Parteivorsitzender ja auch immer in der Regierung, in Bayern und in Berlin. Das ist nicht jedem Parteivorsitzenden vergönnt.

Wie soll die CSU in Bayern und in Berlin stark sein, wenn der neue Parteivorsitzende und Ministerpräsident mit Berlin fremdelt und der Landesgruppenvorsitzende in Berlin, Alexander Dobrindt, in der CSU abgemeldet wirkt.

Seehofer: Die CSU-Landesgruppe in Berlin spielt eine ganz zentrale Rolle, mit Alexander Dobrindt an der Spitze. Die CSU in München muss immer Rücksicht nehmen auf die CSU-Abgeordneten in Berlin. So habe ich es als Parteivorsitzender gehalten. Schließlich bringt das Amt auch eine ganz besondere Verantwortung mit sich. Man wird auch für alle Wahlergebnisse verantwortlich gemacht, selbst wenn man - wie ich bei den Wahlen 2017 und 2018 - gar nicht selber zur Wahl steht.

Der Maßstab ist ja immer die Wahl.

Seehofer: Das stimmt. Geht die gut aus, sind alle zufrieden und es geht ohne große Debatten weiter. Geht sie weniger gut aus, ist das anders. Das haben wir jetzt zweimal nacheinander in Bayern erlebt, bei Bundestags- und Landtagswahl.

Der nächste Test steht schon bevor, die Europawahl im Mai. Wie müsste die CSU abschneiden, damit wieder Ruhe in der Partei einkehrt?

Seehofer: Na ja, wir haben einen allseits anerkannten Spitzenkandidaten für die Europawahl, Manfred Weber. Er ist ja nicht nur der Spitzenkandidat von CSU und CDU, sondern auch der gesamten europäischen Volkspartei. Da hoffe ich schon auf ein Ergebnis von über 40 Prozent.

Manfred Weber steht auch dafür, dass die CSU nicht mehr so polarisieren will, wie Sie es getan haben.

Seehofer: Einen Rechtsruck der CSU hat es nie gegeben. Was wir zur Migrationspolitik vertreten haben, war von allen CSU-Gremien getragen. Das hat manchmal sogar zur Einschätzung im Flüchtlingsstreit geführt, ich sei in Wahrheit ein Getriebener. Wenn man aus dem Streit des Sommers Konsequenzen ziehen will, dann betrifft das nicht inhaltliche Fragen, sondern Stilfragen.

Aber die Kritik entzündet sich gerade an Ihrem Stil!

Seehofer: Ich gebe zu, dass manche unserer Anhänger über einige Aussagen irritiert waren. Aber vieles davon stammt nicht von mir.

Der Satz "Jetzt beginnt das Endspiel um die Glaubwürdigkeit" stammt von Söder. Und das Wort "Anti-Abschiebe-Industrie", das zum Unwort des Jahres gekürt wurde, hat Alexander Dobrindt benutzt.

Seehofer: Das ändert nichts daran, dass man als Parteivorsitzender für ein schlechtes Wahlergebnis, wie voriges Jahr in Bayern, verantwortlich gemacht wird. Das ist nun einmal so.

Also gilt Ihr Satz vom vorigen Jahr immer noch, gegen Sie werde eine Kampagne gefahren?

Seehofer: Es ging in vielen Medien gegen mich als Person. Man hat mich in die rechte Ecke gestellt, sogar mit Beate Zschäpe wurde ich verglichen. Oder ich war der Gefährder, der partout Angela Merkel stürzen wollte. Nichts davon hat gestimmt.

Aber oft kam die Kritik doch von Ihren Parteifreunden, nicht von den Medien.

Seehofer: Lassen wir doch die Vergangenheit ruhen. Wer immer nur in den Rückspiegel schaut, fährt irgendwann gegen die Wand.

39 Jahre Politik sind eine lange Zeit. Erwarten Sie am Samstag auch Dankbarkeit für Ihre Arbeit?

Seehofer: Ich kann mich über den Zuspruch aus meiner Partei nicht beschweren. Richtig wertgeschätzt wird man aber wohl erst, wenn man aus der Politik ausgeschieden ist. Der ehemalige Bundespräsident Roman Herzog hat mal gesagt: "Je toter ein Politiker ist, desto mehr schätzt man ihn."

Denken Sie mit 69 Jahren ab und zu über die Rente nach?

Seehofer: Ich habe mir über die Weihnachtstage und den Jahreswechsel wirklich mal wieder Zeit genommen für Freunde und Familie. Und ich habe festgestellt, dass mir dieser Zustand auch behagen würde. Jedenfalls habe ich nicht die geringste Angst vor dem Ruhestand. Auch dann könnte ich mir noch einiges vorstellen - etwa, dass ich meine Erfahrungen aus fast 40 Jahren Politik in Buchform fasse.

Wie versorgt der Freistaat eigentlich seine Ex-Ministerpräsidenten?

Seehofer: Ein Büro steht mir für vier Jahre nach meinem Ausscheiden als Ministerpräsident zu. Ich weiß gar nicht, ob ich das überhaupt in Anspruch nehmen werde.

Das Gespräch führten Gregor Peter Schmitz, Stefan Lange und Holger Sabinsky-Wolf

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