"Macht seinen Job nicht": VW-Vorstand kassiert Buhrufe von Belegschaft - Scholz schaltet sich ein
Autor: Agentur dpa, Redaktion
Wolfsburg, Mittwoch, 04. Sept. 2024
Fünf Milliarden Euro fehlen in der Kasse: Der VW-Vorstand hat seine Sparpläne der Belegschaft präsentiert - und kassierte massiven Gegenwind. Nun schaltet sich auch Kanzler Scholz ein.
Unangenehmer Termin für die Chefs von VW: Mit lautstarken Protesten hat die Belegschaft bei Volkswagen gegen die Sparpläne des Vorstands protestiert. Auf der Betriebsversammlung in Wolfsburg verteidigte die Konzernspitze vor 25.000 Beschäftigten ihre Sparpläne. Betriebsratschefin Daniela Cavallo kündigte harten Widerstand an und will Werkschließungen, Entlassungen und Lohnkürzungen nicht hinnehmen. "Mit uns ist das nicht zu machen."
Schuld an der Krise bei Volkswagen seien nicht die Mitarbeiter, sondern die Konzernführung, sagte Cavallo laut Redemanuskript. "Volkswagen krankt daran, dass der Vorstand seinen Job nicht macht." Dafür dürfe man nun nicht die Belegschaft zur Verantwortung ziehen. Stattdessen appellierte sie an den Vorstand, seiner Verantwortung für die VW-Standorte gerecht zu werden. Die Sparpläne des Vorstands bezeichnet sie als "Armutszeugnis" und "Bankrotterklärung".
VW-Vorstand präsentiert Sparpläne - Belegschaft läuft Sturm
Die VW-Spitze verteidigte vor der versammelten Belegschaft ihren verschärften Sparkurs. "Wir haben noch ein Jahr, vielleicht zwei Jahre Zeit, das Ruder herumzureißen. Aber diese Zeit müssen wir nutzen", sagte Konzern-Finanzchef Arno Antlitz. "Wir geben in der Marke seit geraumer Zeit schon mehr Geld aus, als wir einnehmen. Das geht nicht gut auf die Dauer!" Mit den Einsparungen wolle VW die Mittel freisetzen, die man für neue Produkte brauche. "Dafür brauchen wir jetzt Geld, um kräftig zu investieren", sagte Markenchef Thomas Schäfer.
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Konzernchef Oliver Blume stellte sich auf der Versammlung demonstrativ hinter den Kurs seines Markenvorstands. "Die aktuelle Lage bei VW berührt uns alle emotional, auch mich persönlich", sagte der gebürtige Braunschweiger. "Wir führen VW wieder dorthin, wo die Marke hingehört - das ist die Verantwortung von uns allen." Das Führungsteam der Kernmarke habe dabei seine "volle Unterstützung".
Europas größter Autobauer hatte angekündigt, angesichts der sich zuspitzenden Lage den eingeschlagenen Sparkurs bei der Kernmarke VW noch einmal zu verschärfen. Auch Werkschließungen in Deutschland und betriebsbedingte Kündigungen werden nicht länger ausgeschlossen. Die mit dem Betriebsrat vereinbarte Beschäftigungssicherung, die betriebsbedingte Kündigungen bis 2029 ausschließt, soll aufgekündigt werden. Erstmals seit 30 Jahren könnte es bei VW dann Entlassungen geben. VW macht bisher keine Angaben, ob tatsächlich ganze Werke geschlossen werden sollen und welche Standorte konkret es treffen könnte. Finanzvorstand Arno Antlitz erklärte auf der Betriebsversammlung aber: "Es fehlen uns die Verkäufe von rund 500.000 Autos, die Verkäufe für rund zwei Werke." Schuld seien nicht Fehler von VW, sondern die generell schwache Nachfrage nach Neuwagen in Europa.
Welche VW-Werke sind bedroht? Politik zeigt sich besorgt wegen VW-Krise
Sorgen machen sich vor allem die Standorte außerhalb Wolfsburgs. Sachsens Wirtschaftsminister Martin Dulig (SPD) hatte sich am Montag mit Blick auf die drei sächsischen Werke in Zwickau, Chemnitz und Dresden "alarmiert" gezeigt. In Niedersachsen sorgen sich vor allem Osnabrück, Emden und Braunschweig um die dortigen Standorte. Weitere Werke gibt es neben dem Stammwerk Wolfsburg in Hannover, Salzgitter und Kassel. Mittlerweile hat sich auch Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) eingeschaltet. Ein Regierungssprecher sagte am Mittwoch in Berlin, Scholz habe sowohl mit dem Management als auch mit der Konzernbetriebsratsvorsitzenden sowie Aufsichtsrats-Mitgliedern gesprochen. Dem Kanzler sei die Bedeutung von VW als eines der größten Unternehmen der Autoindustrie klar. Er sei sich bewusst über die Herausforderung der Transformation, vor der die gesamte Branche stehe.
Der Konzern hatte zuvor erklärt, Werkschließungen wären nur die letzte Maßnahme, wenn es nicht gelinge, mit schnellen Maßnahmen gegenzusteuern. Bei VW wäre es das erste Mal seit 1998, dass ein Werk komplett verschwindet. Damals hatte VW die Fabrik in Westmoreland in den USA dicht gemacht. In Deutschland wurde noch nie ein VW-Werk geschlossen.