Linksfraktion im Bundestag will ihr eigenes Ende beschließen
Autor: dpa
, Dienstag, 14. November 2023
Nach dem Parteiaustritt von Sahra Wagenknecht und neun weiteren Abgeordneten will die Linksfraktion ihre Auflösung auf den Weg bringen. Für die Rolle der Linken im Bundestag ist das ein Einschnitt.
Nach dem Austritt von Sahra Wagenknecht und ihren Mitstreitern aus der Linken ist nun auch das Ende der Linksfraktion im Bundestag besiegelt. Sie entschied selbst, sich am 6. Dezember aufzulösen. Die zuletzt 38 Abgeordneten wollen getrennt weitermachen: die 28 verbliebenen Linken in einer parlamentarischen Gruppe - und die zehn Anhänger des «Bündnis Sahra Wagenknecht» in einer anderen.
Parlamentarisch ist der Vorgang etwas Neues. Politisch ist es das Ende einer Ära. «Das Kapitel ist geschlossen», stellte Parteichefin Janine Wissler nach der Entscheidung fest. Sie klang eher erleichtert als erschüttert.
«Die Linke ist nicht tot»
Die Linksfraktion hatte sich 2005 gegründet, ein Zusammenschluss der Abgeordneten der damaligen PDS und der damals neuen WASG. Aus beiden wurde dann 2007 auch eine Partei: die Linke. Nach 18 Jahren steht nun nicht Erwachsenwerden, sondern Spaltung. Wagenknecht möchte Anfang 2024 eine Konkurrenzpartei gründen. Ihr Verein «Bündnis Sahra Wagenknecht» bereitet dies vor und sammelt schon Spenden.
Die geschiedenen Partner sind künftig Konkurrenten und ringen bereits um die Deutungshoheit. «Wir sind die einzige relevante linke Partei in Deutschland, und wir kämpfen darum, dass wir auch wieder stärker werden», sagte Wissler. Das ist nun das Mantra: «Die Linke ist nicht tot», betonte auch Noch-Fraktionschef Dietmar Bartsch. Das Ende der gemeinsamen Fraktion sei die Chance auf einen Neustart. «Bei Niederlagen gilt: Wer achtmal hinfällt, muss neunmal aufstehen.»
Die erste Liquidation mitten in der Legislatur
Das mit dem Hinfallen hat Bartsch schon einige Mal hinter sich in mehr als 30 Jahren PDS und Linke im Bundestag. 2002 durchlief auch die Linken-Vorgängerin PDS ein Liquidations-Verfahren, als nur noch zwei Direktkandidatinnen den Sprung in den Bundestag geschafft hatten. FDP und Grüne erlebten nach Wahlschlappen ähnliches. Neu ist, dass sich eine Bundestagsfraktion mitten in der Legislatur auflöst.
Zur Entscheidung erschienen auch vier der zehn sogenannten Abtrünnigen, vielleicht ein letztes Mal. Einsam und still schritten sie zum Saal hinten links auf der Fraktionsebene des Reichstagsgebäudes: Andrej Hunko, Zaklin Nastic, Jessica Tatti und später auch Sevim Dagdelen. Sahra Wagenknecht selbst kam nicht.
Spaltung lange vermieden
Die Trennung hatte Bartsch in den Jahren des internen Streits mit Wagenknecht lange vermieden und stets in düstersten Farben ausgemalt. Spaltung habe der Linken noch nie was gebracht, das sehe man in ganz Europa, sagte er immer wieder. Klar ist, dass eine Liquidation mühsam ist und lange dauern kann. Allen 108 Angestellten der Linksfraktion muss gekündigt werden. Es gibt bereits einen Sozialplan. Das Liquidationsdatum Anfang Dezember zögert Kündigungen noch etwas hinaus. Arbeitsrechtliche Verfahren sind trotzdem denkbar.