«Laut, kritisch» - Werden die Jusos für Scholz zum Problem?
Autor: Kilian Genius, dpa
, Freitag, 17. November 2023
Unter Kevin Kühnert galten die Jusos als Krawalltruppe. Doch zuletzt wurde es still um den SPD-Nachwuchs. Nun gibt es einen neuen Vorsitzenden. Für Kanzler Scholz könnte es unbequem werden.
Viel gehört hat man von den Jusos in den letzten Jahren nicht - bis vor ein paar Wochen. Da fanden sie deutliche Worte - und die richteten sich ausgerechnet an ihren Genossen, an Bundeskanzler Olaf Scholz. Der hatte im «Spiegel» Abschiebungen «im großen Stil» in Aussicht gestellt. Die Jusos waren erzürnt: «Eine Forderung direkt aus dem Vokabular des rechten Mobs», postete die SPD-Jugend auf X (vormals Twitter). «Ich könnte kotzen bei diesem Zitat», schrieb der damalige Juso-Vize Philipp Türmer.
Zum ersten Mal seit Scholz zu ihrem Kanzlerkandidaten gekürt wurde, gehen die Jusos, und damit überhaupt Teile der SPD, den Kanzler so laut an. Kann dieses neue Selbstverständnis zwei Jahre vor der Bundestagswahl ein Problem für Scholz werden - ähnlich wie es der frühere Juso-Chef Kevin Kühnert mit seiner «No GroKo»-Kampagne einst war?
Der neue Juso-Chef, der in Braunschweig gewählt wurde, spricht dafür. Türmer, 27, aus Hessen scheut keine Kritik am Kanzler. In den Zeitungen der Funke-Mediengruppe kündigte er einen scharfen Kurs gegen Scholz an: «Ich halte es für dringend notwendig, dass wir Jusos den Kanzler und seine Linie ab sofort deutlich kritischer begleiten.»
Jusos als linkes Korrektiv
Türmer sei «laut, kritisch und links», sagt Politikwissenschaftlerin Anna-Sophie Heinze der Deutschen Presse-Agentur. Heinze ist Sprecherin des Arbeitskreises Parteienforschung der Deutschen Vereinigung für Politikwissenschaft (DVPW) und Akademische Rätin an der Universität Trier. Inhaltlich verfolge er das Ziel, die Jusos als klar linkes Korrektiv in der SPD zu positionieren.
Türmer, ein Juso-Urgestein, will die Verteilungsfrage stellen. Dafür brauche es eigenständige Jusos, die mehr Konflikt mit der Partei suchten, meint er. «Wenn ich den Eindruck habe, dass der Kanzler keine sozialdemokratische Politik macht, dann werde ich mich auch hart von ihm abgrenzen.»
Kurswechsel
Das ist ein ganz anderer Kurs als der von Jessica Rosenthal, der bisherigen Juso-Chefin. Sie stand für einen deutlich ruhigeren Führungsstil als etwa ihr Vorgänger Kühnert. 2021 zog Rosenthal in den Bundestag ein, führte die Jugendorganisation aber weiter. «In einer solchen Konstellation ist es viel schwieriger Kritik zu äußern als ohne Mandat», sagt Heinze.
Es gibt Leute in der SPD, die sagen, Kühnerts Fußstapfen seien zu groß gewesen. Unter Rosenthal habe eine klare Linie gefehlt. Sie habe die Chance verpasst, die «49ers» im Bundestag zu organisieren. 49 der 206 SPD-Abgeordneten waren zum Zeitpunkt der Bundestagswahl unter 35 Jahren alt - also Jusos. Doch der Effekt der jungen Wilden verpuffte, die vermeintlich linke Revolution im Parlament blieb aus.