Landtagswahl 2018 - Experte erklärt: Darum können die Zugezogenen für die CSU zum Problem werden
Autor: Christoph Hägele
München, Dienstag, 09. Oktober 2018
Vor der anstehenden Landtagswahl steht die CSU um ihren Ministerpräsidenten Markus Söder mit dem Rücken zur Wand. Die seit Monaten sinkenden Umfrageergebnisse lassen auf keinen großen Erfolg hoffen. Ein Grund dafür könnten nach Bayern gezogene Wähler sein.
Der habilitierte Historiker Thomas Schlemmer ist Experte für die Geschichte der CSU. Der 51-Jährige forscht am Münchner Institut für Zeitgeschichte und ist stellvertretender Chefredakteur der "Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte". Im Interview mit inFranken.de verrät er, warum die Zugezogenen aus anderen Bundesländern am Wahltag für die CSU zum Problem werden können. Was ist die eigentliche Sensation: Dass die CSU die absolute Mehrheit verlieren könnte - oder dass die Partei sie erst jetzt verlieren könnte?
Thomas Schlemmer: In Bayern stellt die CSU seit 1957 ohne Unterbrechung den Regierungschef. Das ist in Europa ohne Beispiel. Demokratien leben aber vom Wechsel. Parteien gewinnen Macht und verlieren sie wieder. Dann kommen die anderen dran. Jetzt auch in Bayern?
So weit sind wir meiner Meinung nach noch nicht. Aber eine Regierung ohne die CSU ist zum ersten Mal seit vielen Jahrzehnten zumindest theoretisch möglich. Man könnte sagen, dass Bayern sich dem demokratischen Normalfall angleicht.
Die Wirtschaft wächst, die Kriminalitätsrate ist so niedrig wie seit 30 Jahre nicht mehr. Warum drohen dennoch viele Bayern der CSU von der Fahne zu gehen?
Es könnte sich bei vielen Bayern eine Art von Sattheitseffekt eingestellt haben. Die gute wirtschaftliche Lage wird inzwischen als normal empfunden - und nicht mehr als Grund, die CSU zu wählen. Wir müssten aber erst einmal klären, von welchen Bayern wir sprechen. Wie viele unterschiedliche Typen von Bayern gibt es denn?
Der Freistaat verändert sich atemberaubend schnell - und er ist damit in guter Gesellschaft. Schon seit längerem werden westliche Gesellschaften in sich vielfältiger und individualistischer. Faktoren wie Herkunft, Religion, soziale Lage und Tradition spielen für die politische Orientierung vieler Menschen eine immer geringere Rolle. Das hat Konsequenzen für ihr Wahlverhalten. Wähler machen ihre Entscheidung inzwischen viel stärker von ihrer ganz konkreten Lebenssituation abhängig. Hinzu kommt, dass Bayern ein Zuwanderungsland ist. Und diese Zuwanderer verändern Bayern.
Dann ist mit den Worten Seehofers die Migration auch für die CSU selbst die "Mutter aller Probleme"?