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Kommentar: Weniger Steuereinnahmen - Das muss die Regierung jetzt unternehmen


Autor: Redaktion

Berlin, Freitag, 26. Oktober 2018

Der Rückgang der Steuereinnahmen ist kein Grund zur Panik, sollte die Große Koalition aber zum Umdenken bringen. Ein Kommentar von Bernhard Junginger.
Die Zeiten der sprudelnden Steuerquellen sind für Finanzminister Olaf Scholz (SPD) womöglich bald vorbei. Foto: Gregor Fischer/dpa


Dass die Steuereinnahmen nicht mehr so stark steigen wie zuletzt, ist noch kein Grund zur Panik, bleiben sie doch auf einem hohen Niveau. Und trotzdem sollte die Eintrübung die Große Koalition zum Umdenken bringen. Denn so heftig sich Union und SPD seit Beginn der gemeinsamen Regierung auch streiten, so sehr eint sie doch die gefährliche Neigung zu hohen Ausgaben.

Der Koalitionsvertrag sieht viele zusätzliche Milliarden für Kitas, fürs Baukindergeld, für die Rente, den sozialen Arbeitsmarkt oder für ländliche Räume vor. Über Sinn und Unsinn einzelner Maßnahmen lässt sich diskutieren, sicher ist, dass durch all die Pakete schon jetzt der finanzielle Spielraum für die kommenden Jahre eng geworden ist. Nicht nur, was Ausgaben betrifft. Auch eine echte Entlastung der Bürger und Unternehmen bei den Steuern wird so zunehmend schwieriger.

Verpflichtungen lassen sich nicht zurückdrehen

Die Bundesregierung hat sich auf Jahre hinaus gewaltige Verpflichtungen auferlegt, die sich nicht mehr so einfach zurückdrehen lassen, wenn sich die Konjunktur mal trübt. Eine verantwortungsvolle Finanzpolitik bedeutet eben nicht, das Geld möglichst schnell unters Volk zu bringen, wenn es gerade da ist. Sondern für schlechte Zeiten vorzusorgen. Maßnahmen wie das Baukindergeld etwa machen vor allem dann Sinn, wenn die Konjunktur lahmt. Im Moment wird ohnehin so viel gebaut, dass die Bauherren oft gar keine Handwerker finden.

Wenn der Staat die Bildung von Wohneigentum fördern will - warum senkt er nicht einfach die Grunderwerbssteuer?

Und wenn fast Vollbeschäftigung herrscht, müssen nicht ausgerechnet Maßnahmen der Arbeitsmarktförderung erste Priorität haben. Wichtiger wäre es, die vollen Kassen zu nutzen, um die marode Infrastruktur auf Vordermann zu bringen, kräftig in die Bildung zu investieren und Schulden abzubauen.

Verteilungskämpfe zeichnen sich ab

Nachfrage und Konsum lassen sich am besten am Laufen halten, wenn die Menschen am Ende des Monats mehr von ihrem Einkommen zu Verfügung haben. Doch leider zeichnet sich jetzt schon ab, dass die gedämpften Steuererwartungen zu heftigen Verteilungskämpfen in der Großen Koalition führen werden.

Einer Regierung aber, die schon denn strauchelt, wenn auf wirklich fette Jahre "nur" ziemlich gute folgen, würden die Bürger kaum zutrauen, sie auch durch magere Zeiten zu steuern. Die noch auf jede Hochphase gefolgt sind.

Der Hintergrund: Warum es weniger Steuereinnahmen gibt

Weil sich die Konjunkturaussichten durch weltweit zunehmende Signale der Unsicherheit eintrüben, rechnet die Bundesregierung damit, dass die Staatseinnahmen nicht mehr so stark wachsen wie zuletzt. Bund, Länder und Kommunen können nach den Zahlen des Arbeitskreises Steuerschätzung in den kommenden Jahren mit 6,7 Milliarden Euro mehr an Steuern planen. "Die Bäume wachsen nicht mehr in den Himmel", sagte Bundesfinanzminister Scholz, größere neue Spielräume seien nicht sichtbar.

Mahnung zur Zurückhaltung

Und Forderungen nach einer großen Steuerreform oder einer kompletten Abschaffung des Solidaritätszuschlags erteilte er eine klare Absage. Er kündigte an, einen Teil der zusätzlichen Steuereinnahmen in die Forschungsförderung zu stecken. An einem Programm für entsprechende Steueranreize werde derzeit gearbeitet.

Weitere Teile der Mehreinnahmen sollen in die Verteidigung und die Entwicklungszusammenarbeit fließen. Die Union mahnt Scholz angesichts der Zahlen zu Zurückhaltung bei künftigen deutschen Zahlungen an die Europäische Union.

Der haushaltspolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Eckhardt Rehberg, wirft Scholz indirekt vor, bereits mit höheren deutschen Überweisungen nach Brüssel zu rechnen. "Die EU-Abführungen Deutschlands dürften in den nächsten Jahren höher sein als in der Steuerschätzung ausgewiesen. Sie werden erst am Ende der Verhandlungen zum Mittelfristigen Finanzrahmen 2021 bis 2027 feststehen", sagte Rehberg. Doch für höhere EU-Abführungen sei im Finanzplan der Bundesregierung keine Vorsorge getroffen.

Steuererleichterungen für Bürger

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Ungedeckt seien aber auch die "Visionen von Bundesfinanzminister Scholz für eine europäische Arbeitslosenversicherung". Scholz müsse jetzt erklären, "wie er seine teuren europapolitischen Ideen auf Basis dieser Steuerschätzung finanzieren will".

Die FDP fordert, die Spielräume für Steuererleichterungen für Bürger und Wirtschaft zu nutzen. Fraktionsvize Michael Theurer sagte dieser Redaktion: "Gerade jetzt, wo die Wachstumsprognosen zurückgenommen werden müssen, ist die Entlastung der Bürger und der mittelständischen Unternehmen dringend notwendig." Die FDP halte an der Forderung nach der vollständigen Abschaffung des Solidaritätszuschlags fest. Theurer: "Leider setzt die Große Koalition auf teure Ausgabenpakete, statt den finanziellen Spielraum zu nutzen, um die Bürger zu entlasten."

Bundesfinanzminister Olaf Scholz von der SPD sei "nicht glaubwürdig, wenn er von solider Haushaltsführung spricht, aber gleichzeitig eine europäische Arbeitslosenversicherung einführen will, die Deutschland elf Milliarden Euro kosten" werde. Und bei der Rente, so Theurer weiter, "gehen die teuren Forderungen von Scholz sogar noch über die seines Parteifreunds, Arbeitsminister Hubertus Heil, hinaus".

Einstieg in den Soli-Ausstieg

Ähnlich argumentiert Reiner Holznagel, Präsident des Bundes der Steuerzahler. Er sagte dieser Redaktion: "Jetzt ist eine umfassende Entlastung der Steuerzahler überfällig. Als ersten Schritt sollte der Bund schleunigst den leidigen Soli komplett und für alle abschaffen." Dank der steigenden Steuereinnahmen sei dies auch finanzierbar, so der Präsident des Steuerzahlerbundes. Er fordert den sofortigen Einstieg in den Soli-Ausstieg für alle Steuerzahler noch in dieser Legislaturperiode. "Das kann der Bundestag ohne Zustimmung durch den Bundesrat umsetzen."

"Für kluge Investitionen nutzen"

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Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin, sieht durch die Zahlen der Steuerschätzung für den Staat auch in den kommenden Jahren "erheblichen finanziellen Spielraum, um Deutschland zukunftsfähig zu machen". Allerdings, so Fratzscher, deute sich bereits jetzt an, dass der demografische Wandel die deutsche Wirtschaft und auch die Steuereinnahmen schwächen werde. Deshalb sei es umso wichtiger, "dass der Staat heute die hohen Steuereinnahmen für kluge Zukunftsinvestitionen und nicht für Wahlgeschenke und Klientelpolitik, wie Steuersenkungen für Besserverdienende und Vermögende, nutzt".

Ein Artikel von Bernhard Junginger