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Keith Emerson hat sich erschossen


Autor: Rudolf Görtler

Bamberg, Samstag, 12. März 2016

Der Superstar des Progressive Rock in den Siebzigern, Keith Emerson, beging im Alter von 71 Jahren Selbstmord. Ein Nachruf.
Keith Emerson bei einem Konzert in Frankfurt im Jahr 2010  Foto: dpa


Vielleicht verhält es sich mit Keith Emerson so wie bei vielen Berufskollegen: Dass er am besten, am innovativsten ganz zu Beginn seiner Karriere war - denken wir an die frühen Pink Floyd, an Deep Purple, an die Doors.
Als der bereits in seiner Geburtsstadt Todmorden in England als Klavier-Wunderkind bekannte Emerson, Jahrgang 1944, im Jahr 1967 in London die Band Nice gründete, war das ein Vorgeschmack auf den Boom des sogenannten Progressive Rock in den 1970er Jahren. Schon damals ließ der talentierte Keyboarder Elemente aus Jazz und Klassik in sein Spiel einfließen und interpretierte etwa Johann Sebastian Bachs Brandenburgisches Konzert. Eine besonders wilde Version von "America" aus Leonard Bernsteins "West Side Story" auf seinem damaligen Hauptinstrument, der Hammondorgel, ist bis heute ein Klassiker. Zeitgemäß angereichert mit Showelementen wie dem Dolchstoß fürs Instrument, dessen Herumwuchten auf der Bühne, dem Simultanspiel von Klavier und Orgel oder dass der junge Wilde auf die Hammond sprang und das Manual von oben herab bespielte. All dies ist in dem Kinofilm "Pictures At An Exhibition" von 1973 zu sehen.

Da war allerdings eine der damals so genannten Super Groups bereits drei Jahre zusammen. Emerson hatte sich mit dem Bassisten Greg Lake und dem Schlagzeuger Carl Palmer zusammengetan und ein Amalgam aus Klassik, Jazz und Rock geschaffen, was einige Jahre lang ein bei Kritik wie Publikum ungemein erfolgreiches Konzept war. Die genannte Bearbeitung von Mussorgskis "Bilder einer Ausstellung" versöhnte manchen Musiklehrer mit der verhassten Rockmusik. Der größte Hit der Gruppe "Lucky Man", komponiert von Lake, ist mit seinen simplen Harmoniefolgen jedoch völlig untypisch für die Gruppe. Immerhin ist mit zum ersten Mal ein Moog-Synthesizer in der Popmusik zu hören. Emerson brachte als einer der diese elektronischen Klangerzeuger auf die Bühne, agierte mitunter zwischen mannshohen Elektronik-Türmen.

Mit Alben wie "Tarkus", "Trilogy" oder dem Dreier-Live-Album "Welcome Back My Friends To The Show That Never Ends" stiegen Emerson, Lake & Palmer (ELP) in den Siebzigern in die Liga der kommerziellen Groß-Bands auf. Dann allerdings rebellierte eine neue Generation junger Punks gegen den Bombast dieser Gruppen, die keine street credibility mehr besaßen. Zudem war die Klassik-Rock-Verschmelzung eine künstlerische Sackgasse. Es war eine überholte Klassik, die neutönerische Avantgarde des 20. Jahrhunderts war längst weiter.

Differenzen innerhalb der Band kamen dazu: ELP trennten sich, Emerson schrieb Filmmusik, nahm Soloalben auf und gründete nach mehr oder minder erfolglosen Versuchen, ELP wiederzubeleben, die Keith Emerson Band, die 2008 ein viel beachtetes Album aufnahm. 2010 erhielt Emerson den Frankfurter Musikpreis.

Bereits seit den 1990er Jahren hatte Emerson mit einer degenerativen neurologischen Erkrankung zu kämpfen, die die Beweglichkeit seiner rechten Hand einschränkte. Am vergangenen Freitag wurde bekannt, dass sich Keith Emerson in seinem Haus im kalifornischen Santa Monica erschossen hatte.