Warum starten Befürworter nicht ein Verfahren?
Das Grundgesetz setzt hohe Hürden, denn Parteien stehen unter dem Schutz der Verfassung. Verbotsanträge können die Bundesregierung, der Bundestag oder der Bundesrat stellen. Es entscheidet das Bundesverfassungsgericht. Voraussetzung für ein Verbot ist, dass die Partei «nach ihren Zielen oder nach dem Verhalten ihrer Anhänger» beabsichtigt, «die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen oder den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden».
Seit Gründung der Bundesrepublik gab es erst zwei Parteiverbote: 1952 trifft es die Sozialistische Reichspartei (SRP), der Wesensverwandtschaft mit Adolf Hitlers NSDAP attestiert wurde. 1956 folgt die Kommunistische Partei Deutschlands (KPD), deren Ziel es ist, eine «Diktatur des Proletariats» zu errichten.
Welche Rolle spielt das jüngste NPD-Verbotsverfahren?
Ein von Bundestag, Bundesrat und Bundesregierung beantragtes Verbot der rechtsextremen NPD (heute: Die Heimat) scheiterte hingegen vor dem Bundesverfassungsgericht. Die Richter stellten 2017 zwar fest, die NPD vertrete «ein auf die Beseitigung der bestehenden freiheitlichen demokratischen Grundordnung gerichtetes politisches Konzept». Doch fehle es «an konkreten Anhaltspunkten von Gewicht, die es möglich erscheinen lassen, dass dieses Handeln zum Erfolg führt». Kurzum: Es reicht nicht, dass eine Partei verfassungsfeindliche Ziele verfolgt, es muss auch plausibel sein, dass sie sie erreichen kann.
Das NPD-Urteil dient jetzt Gegnern wie Befürwortern eines AfD-Verbots als Argumentationshilfe. Die einen sagen: Es dürfte auch im Fall der AfD schief gehen. Die anderen meinen: Anders als die NPD ist die AfD inzwischen so groß, dass das Kriterium «könnte Ziele durchsetzen» erfüllt wäre. Wie immer in juristischen Fragen ist der Ausgang offen.
Was sagen die Gegner eines Verbotsverfahrens?
Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) hält ein Verbotsverfahren «verfassungsrechtlich für nahezu aussichtslos und politisch problematisch». Um der AfD den Wind aus den Segeln zu nehmen, müsse man politische Lösungen anbieten.
Der Düsseldorfer Parteienforscher Thomas Poguntke sieht das genauso. «Ich halte es nicht für den richtigen Weg, dass man eine Partei verbietet», sagt Poguntke der Deutschen Presse-Agentur. «Ein erheblicher Teil der Wähler der AfD ist nicht rechtsextrem. Die muss man zurückgewinnen auf politischem Wege.» Dazu müssten Parteien kritisch hinterfragen, ob sie wirklich Politik für die Mehrheit der Wähler machten. Andernfalls müssten sie bessere Lösungen anbieten. «Dadurch ließe sich für die Demokratie mehr erreichen, als durch ein Verbot.»
Aber auch die Politikwissenschaft ist uneins. Man müsse alle Optionen diskutieren, um den Schutz des liberalen Rechtsstaat zu garantieren, sagt der Magdeburger Rechtsextremismusexperte Matthias Quent. Das schließe auch eine Debatte über ein Verbotsverfahren ein. Diese sollte nicht anhand von Umfrageergebnissen oder Wahlterminen geführt werden, sondern anhand konkreter Befunde, sagt Quent.