Billige Manipulation: Julia Klöckner und die Pubertätsblocker
Autor: Io Görz
Deutschland, Freitag, 14. Oktober 2022
Wenn es um Kinder geht, reagieren Menschen irrational. Das macht sich gerade rechte Stimmungsmache gerne zunutze. Neu im ideologischen Chor: Die Ex-Ministerin Julia Klöckner.
Das Wohl der Kinder ist ein hohes Gut. Das ist Konsens und genau das lässt sich wunderbar ausnutzen, wenn man gegen irgendetwas schnell und billig Stimmung machen will.
Das weiß auch Julia Klöckner (CDU), Ex-Ministerin und Bundestagsabgeordnete. Sie hatte am Mittwoch, 12. Oktober, einen Screenshot auf Twitter gepostet, der eine Informationsseite des Regenbogenportals (Angebot des Bundesfamilienministeriums) für junge Menschen zeigt. Auf der Seite wurde in leichter Sprache erläutert, welche Möglichkeiten es gibt, wenn man als Kind oder Jugendlicher feststellt, dass das zugewiesene Geschlecht nicht zum tatsächlichen Geschlecht passt. Als eine der Möglichkeiten wurden Pubertätsblocker aufgeführt. Diese Medikamente sorgen dafür, dass die Pubertät ausgesetzt wird – bis die Medikamente wieder abgesetzt werden.
Falschbehauptungen entfachen emotionale Debatte
Julia Klöckner empörte sich über die Informationsseite öffentlichkeitswirksam und unterstellte, die Regierung würde jungen Menschen Pubertätsblocker „empfehlen“. Dass das so nicht dasteht, spielte schon sehr schnell keine Rolle mehr. Schnell griffen Artikel in einschlägigen Medien den Vorwurf der ehemals bedeutenden Politikerin auf und wiederholten unhinterfragt die Unterstellung, hier würde irgendetwas empfohlen.
Ganz schnell stand im Raum, Kinder würden vorschnell und nur aufgrund einer Unsicherheit Medikamente mit schwerwiegender Wirkung einnehmen. Bezeichnend auch, wer da flugs zur Seite sprang: Die stellvertretende AfD-Bundessprecherin Mariana Harder-Kühnel teilte mit: «Das Ziel des grün-geführten Familienministeriums ist klar: Kinder sollen die Ausbildung ihrer Geschlechtsmerkmale hemmen, um ihr biologisches Geschlecht verändern zu können. Gerade leicht beeinflussbaren Kindern solche Ideen in den Kopf zu setzen, ist hochgradig verantwortungslos und gefährlich für deren weitere physische und psychische Verfassung bis ins Erwachsenenalter hinein.» Und weiter: «Die Ampel verführt Kinder zur gesundheitsschädigenden Manipulation am eigenen Körper und motiviert sie regelrecht zur Rebellion gegen ihre möglicherweise protestierenden Eltern.»
Die Empörungsrakete hatte abgehoben und den Boden der Tatsachen schon lange verlassen. Völlig unerheblich, dass trans Kinder und Jugendliche immer von Ärzt*innen beraten werden beim Schritt, womöglich Pubertätsblocker einzunehmen. Völlig nebensächlich, dass es Studien gibt, die zeigen, wie wichtig diese Medikamente für trans Kinder und Jugendliche sind, dass die Möglichkeit, diese zu nehmen, das Suizidrisiko enorm senkt. Das alles passt nicht ins Narrativ der bösen Queer-Ideologie, die angeblich die Kinder verdirbt und sie umerzieht, frühsexualisiert – die Liste der absurden Vorwürfe auf der Skala der Angstmacherei und moralisierenden Panikmache ist lang.
Pubertätsblocker: Eigentlich keine große Aufregung notwendig
Pubertätsblocker werden immer wieder verschrieben, in den meisten Fällen jedoch geht es nicht um Transgeschlechtlichkeit, sondern um eine zu früh einsetzende Pubertät, die dann verzögert werden soll. In diesen Fällen wie auch in den Fällen von trans Kindern wird eine Indikation von behandelnden Ärzt*innen abgewogen und dann werden diese Medikamente gegebenenfalls verschrieben. Ein Vorgang, der eigentlich wenig Anlass für Aufregung bietet.
Kinder als billiges, emotionales Manipulationsmittel zu benutzen, ist schäbig und eigentlich leicht durchschaubar. Das Problem ist: Es funktioniert dennoch. Das zeigen unselige Debatten aus den USA, in denen die Alt-Right-Bewegung immer wieder versucht, queere Menschen zu diskreditieren und ihre Rechte als Gefährdung gerade für Kinder darzustellen.