Druckartikel: Ingrid Noll serviert eine nette Unterhaltung

Ingrid Noll serviert eine nette Unterhaltung


Autor: Petra Breunig

Bamberg, Mittwoch, 09. Juli 2014

Eine ehemalige Bibliothekarin, ein kranker Kollege und eine Erbschaft - das ist der Stoff, aus dem Ingrid Nolls neuer Roman "Hab und Gier" gemacht ist. Echte Krimispannung ist das aber nicht.
Das Buchcover Foto: Diogenes


Krimis müssen nicht blutrünstig sein, um den Leser in ihren Bann zu ziehen. Eine gut gemachte, intelligente Geschichte, den ein oder anderen ungewöhnlichen und überraschenden Einfall, vielleicht eine skurrile Figur - fertig ist eine Geschichte, die nicht einmal den höchsten literarischen Ansprüchen genügen muss, wenn sie gut unterhält.

Die Aussicht auf eine reiche Erbschaft ist zwar nicht der neueste Grund für einen Mord, weder im richtigen Leben noch in einem Buch. Doch Ingrid Noll bietet in ihrem neuesten Werk "Hab und Gier" einen durchaus liebenswerten Ansatz. Die ehemalige Bibliothekarin Karla erhält von ihrem kranken Kollegen Wolfram die Aussicht auf eine lukrative Erbschaft: Pflegt sie ihn bis zu seinem bald zu erwartenden Tod, erhält sie ein halbes Erbe, bringt sie ihn auf seinen Wunsch hin um, bekommt sie zur ganzen Erbschaft außerdem noch eine große Villa dazu.

Nach anfänglichem Zögern findet Karla Gefallen an der Aussicht auf ein sorgenfreies Leben, zumal sie in Wolfram einen Seelenverwandten erkennt, mit dem sie die Liebe zur guten Literatur teilt.

Karla ist zu klischeehaft

Leider aber hält der Ansatz nicht, was er verspricht. Zwar gibt es in der Handlung durchaus unerwartete Wendungen bis hin zum überraschenden Ende. Ingrid Noll schafft es aber weder die Spannung über die ganze Handlung hinweg aufrechtzuerhalten, noch die Figuren wirklich mit Leben zu erfüllen. Karla beispielsweise erstarrt viel zu sehr im Klischee einer ältlichen Frau, die nur klassische Werke der Weltliteratur als wahre Literatur und angemessene Freizeitbeschäftigung empfindet. Sie ist aber nicht wunderbar schrullig, sondern nach einer Weile nur langweilig und allzu vorhersehbar. Hinzu kommt eine Sprache, die sich um einen leichten Plauderton bemüht, dabei aber einfach nur schlecht ist. Da gibt es Wortwiederholungen und Zeitenwechsel, die, falls sie rhetorische Kniffe sein sollen, zumindest nicht als solche erkennbar sind und beim Lesen zu Stolpersteinen werden, weil sich deren Sinnhaftigkeit auch nach einem erneuten Lesen nicht erschließt.
Fazit: "Hab und Gier" ist eine nette Unterhaltung, die man lesen kann, aber als Nicht-Noll-Fan nicht gelesen haben muss. Wer leichte Krimikost sucht, sollte es mit einem Werk von Donna Leon versuchen und mit Commissario Brunetti durch Venedig laufen.

Ingrid Noll: Hab und Gier, Diogenes, 21,90 Euro