Film über weltberühmtes Streichquartett in Bamberg
Autor: Rudolf Görtler
Bamberg, Montag, 20. Februar 2017
Daniel Kutschinski hat dem französischen Streichquartett "Quatuor Ébène" einen Dokumentarfilm gewidmet.
Die psychische Binnenstruktur eines Streichquartetts ist fragil und gleicht einer Ehe zu viert: Schon allein das Arbeitspensum mit 120 Konzerten im Jahr, Proben, Zwangsgemeinschaft auf Tourneen kann die friedlichsten Menschen zu Feinden machen. Dazu kommen künstlerische Differenzen und Eifersüchteleien. Im Grunde eine unmögliche Konstruktion.
Der Regisseur Daniel Kutschinski ist in seinem Dokumentarfilm "4" tief ins Innere einer solchen Musikergemeinschaft eingedrungen. Es ist das französische Streichquartett Quatuor Ébène, eines der besten und populärsten der Welt. Kutschinski und sein Team begleiteten die vier Musiker vier Jahre lang, vornehmlich während einer Italientournee. Auf der Bühne sind die Vier, die seit 15 Jahren zusammenspielen, seit dem Sieg im ARD-Musikwettbewerb zur Weltspitze aufstiegen und z. B. fünf Echo-Klassik-Preise gewannen, weniger zu sehen. Kutschinski interessierte das Psychogramm dieser Künstlergruppe und hielt lange Diskussionen fest in der Garderobe, im Auto unterwegs zu einem Auftritt, beim Unterricht mit Professor Eberhard Feltz.
Dabei gelingen Kutschinski nicht durchgehend, aber häufig beeindruckende Bilder: Großaufnahmen von Musikinstrumenten, von Fingern am Instrumentenhals, von Tunnellichtern zu Quartetten von Mozart, Tschaikowski oder Bartók (das Quartett interpretiert auch Jazz oder Pop). Die Frage ist, wie authentisch die Diskussionen vor der Kamera geführt werden oder ob sich in Anwesenheit des Teams die Musiker wie Schauspieler gerieren. Doch das ist die Crux jedes Dokumentarfilms, mit der sich dessen Macher von Mal zu Mal neu auseinanderzusetzen haben. Die Musiker diskutieren heftig und durchaus bodenständig: "Ich habe gespielt, wie eine Kuh furzt." Schön ist das Bild vom Quartett als vier tektonischen Platten, die sich aneinander reiben und übereinanderschieben. Nur einmal sind die Musiker restlos zufrieden mit ihrem Konzert, meistens bescheinigt sich einer, schlecht gespielt zu haben, nervt die Kollegen und wird wieder aufgebaut. Sie bereden Unhörbares jenseits musikalischer Terminologie, welchen psychischen Befindlichkeiten etwa Bartók in seiner "intellektuellen Volksmusik" Ausdruck gegeben hat.
Die Familien bleiben außen vor, ebenso die ökonomische Basis der Tournee. Denn klassische Musik ist, was einer breiten Öffentlichkeit nicht immer präsent ist, ein hoch kommerzialisiertes Genre. Diese Lücke ist das einzige Desiderat in einem ansonsten gelungenen Film, der jedem Klassik-Enthusiasten zu empfehlen ist. Nachtrag: Der im Film zu sehende Bratschist Mathieu Herzog geht inzwischen eigene Wege. Auch Viererehen halten nicht ewig.
"4" ist im Bamberger Lichtspiel-Kino vom 23. bis 27. 2. 2017 zu sehen.