Herbert Blomstedt: "Die Japaner waren begeistert"
Autor: Monika Beer
Bamberg, Donnerstag, 22. November 2012
Die Bamberger Symphoniker waren zum 13. Mal auf Tournee im Land der aufgehenden Sonne. Diesmal stand ihr 85-jähriger Ehrendirigent am Pult. Das Publikum feierte die Musiker und Blomstedt enthusiastisch.
Tokyo, Nagoya, Shizuoka, Kyoto, Fukuoka, Matsudo, Tokyo und Hyogo: Das waren die acht fast immer ausverkauften Stationen der 13. Japan-Tournee der Bamberger Symphoniker, die dort erstmals mit Herbert Blomstedt auftraten. Inzwischen sind die "Kulturbotschafter Bayerns in der Welt" wieder aktiv im hiesigen Konzertleben, während der 85-Jährige Ehrendirigent aus seiner Wahlheimat Luzern per Telefon Auskunft gab über die jüngste Gastspielreise.
Wie war die Japan-Tournee?
Einfach großartig. Das Orchester hatte ja schon zuvor in Bamberg auf sehr hohem Niveau gespielt - und das hat sich noch gesteigert.
Die Stimmung war immer auf dem höchsten Punkt.
Wie reagierte das Publikum?
Begeistert, enthusiastisch, beglückt. Und laut. Es gibt Japaner, die unbedingt zeigen wollen, wie genau sie die Stücke kennen, und fangen sofort nach dem Schlusston an, zu brüllen. Das ist schon überraschend. Aber wenn es kombiniert ist mit absoluter Stille und Konzentration vorher, kann man das verstehen. Japaner haben zwar eher den Ruf, introvertiert zu sein, aber wenn sie Mozart, Beethoven und Bruckner so wunderbar gespielt hören, sind sie aus dem Häuschen. Das war wie nach Popkonzerten - nachher wohlgemerkt! Während der Konzerte war das eine Stille zum Anfassen. Allerdings waren das auch ungewöhnliche Wunschprogramme, zum Teil mit zwei großen Symphonien an einem Abend. Das Schlimmste in dieser Hinsicht war in Fukuoka mit Beethoven sieben und danach Bruckner vier. Das würden wir in Europa so nie spielen.
Sie dirigieren seit bald vier Jahrzehnten in Japan, sind dort Ehrendirigent des NHK Tokyo, des wichtigsten Orchesters. Was etwas anders, weil sie jetzt erstmals mit den Bamberger Symphonikern aufgetreten sind?
Das müssten Sie eigentlich das Publikum fragen. Jedenfalls ist aufgefallen, dass ich in Japan sehr bekannt bin. Das liegt einfach daran, dass ich dort schon so lange präsent bin, auch im Fernsehen. Jedes Konzert mit dem NHK wird aufgezeichnet und gesendet, dazu gibt es Vorberichte, Einführungen und eine Nachbereitung, bei der ich mit diskutiere. Das schafft Interesse bei einem breiteren Publikum, deshalb gibt es auch so viele Autogrammwünsche hinterher.
Sie waren noch nie so lange mit den Symphonikern unterwegs.
Es war nicht anders als unsere Konzertreisen in Europa, nur etwas ausgedehnter. Die Disziplin des Orchesters ist eben hervorragend. Die Musiker sind entspannt, aber hoch konzentriert, denn das ist keine Urlaubsreise. Die Organisation der Tournee und der einzelnen Fahrten war fantastisch, die Konzertagentur Kajimoto ist schon die Nummer 1 in Japan.
Waren Sie an einem Ort zum ersten Mal?
Ja, das letzte Konzert war in Hyogo, einem Stadtbezirk von Kobe, der Hafenstadt von Osaka, die bei einem Erdbeben 1995 zerstört wurde. Davon haben wir aber nichts mehr gemerkt. Das war ein ganz neuer großer Saal, über 2000 Plätze.
Und der größte Saal?
War die Suntory Hall in Japan, die mit 2006 Plätzen nur fünf Plätze mehr hat als Hyogo. Der kleinste Saal war in Matsudo, wo diesmal fast nur Jugendliche im Publikum waren - ein Anblick, an den man sich erst gewöhnen muss, wenn man aus Europa kommt. Mehr Mädchen als Jungs, und viele saßen mit ihren weißen Schutzmasken da, was etwas unheimlich aussah.
Die Bamberger Symphoniker tragen ja den Titel "Kulturbotschafter Bayerns in der Welt". Haben Sie davon etwas feststellen können?
Der Titel ist einfach schon deshalb berechtigt, weil das Orchester so gut ist. Bayern hat einen sehr guten Ruf in der Welt als Kulturland, man kennt die Orchester, die Bayerische Staatsoper. Ich glaube, wir haben das Land Bayern gut vertreten. Jedenfalls strahlte Heita Kawakatsu, der Gouverneur von Shizuoka, vor Glück, als er nach dem Konzert
backstage kam. Die Präfektur Shizuoka hat in Japan einen sehr guten Ruf, wird als der "aufgehende Stern" des Landes bezeichnet.
Sie sind ein in Amerika geborener Schwede, der schon lange in der Schweiz lebt. Was ist für Sie bayrisch?
Natürlich das Bier! Bier steht auch in Japan für Fröhlichkeit, Gelassenheit, Entspannung, Glück über die Gaben der Natur und die Gaben der Kultur. Für mich sind Bayern, wenn man es überhaupt wagt, zu generalisieren, entspannte, glückliche Menschen. Natürlich gibt es alle möglichen Varianten. Sie sind nicht weniger ernst, aber vielleicht offener als die Mittel- und Norddeutschen.
Ob das am Katholizismus liegt?
Ja, das ist gut möglich, denn Katholiken können alle ihre Sünden auf den Priester werfen und sind dann seelisch wieder fit. Die Protestanten gehen mehr in sich und sind vielleicht mehr schuldbewusst, was die Stimmung ganz schön drücken kann.
War die Tournee nicht auch anstrengend?
Anstrengend schon, aber das Adrenalin fließt ja in Strömen - und dann vergisst man das.
Wie halten Sie sich fit?
Durch dirigieren! Durch maßvolle Bewegung und viel geistige Energie, denn die ist viel wichtiger als die physische.
War irgendein Konzert dieser Tournee besonders?
Jedes Konzert, jede Aufführung ist besonders. Jedenfalls empfinden wir das so. Man fängt bei Null an und weiß nie, wie es endet. Natürlich wissen wir ungefähr, wie das wird, aber es gibt immer wieder Überraschungen, wenn etwas besonders schön gelingt. Es sind gerade die kleinen Abweichungen, die enorm spannend sind im Orchester. Es hat mich diesmal besonders gefreut, dass die Bläser ein besonderes Empfinden für die Phrasen gezeigt haben - so, wie gut geschulte Chorsänger die Phrasen formen. Man braucht nur eine kleine Andeutung zu geben, und sie nehmen das sofort auf und setzen es um. Dadurch wird es ungeheuer lebendig. Das Bruckner-Holzbläserteam - Frau Koch, Frau Bode, Herr Forstmaier und Herr Tkachuk - kam nach dem letzten Konzert zu mir. Sie sagten: "Wir wollen ein Foto haben, denn jetzt sind wir wirklich ein Team." Sie waren so gut aufeinander eingespielt und fühlten sich so frei. Das war ein wunderbares Musizieren.
Die nächsten Symphoniker-Auftritte
Als erstes Konzert nach der Japan-Tournee präsentieren die Bamberger Symphoniker das Programm "Jahreszeiten à la russe" mit Sergej Rachmaninoffs Konzert für Klavier und Orchester Nr. 3 d-Moll op. 30 und der Ballettmusik "Die Jahreszeiten" von Alexander Glasunow. Unter Dirigent Mikhail Pletnev und mit dem Klaviersolisten Nikolai Lugansky ist das Orchester am 22. November ab 19.30 Uhr im Theater Schweinfurt sowie am 23. und 24. November jeweils ab 20 Uhr in der Konzerthalle Bamberg zu erleben. Zum Bamberger Konzert am Freitag gibt es eine Einführung. Die Konzerte werden vom Bayerischen Rundfunk aufgezeichnet.