Haushaltsurteil: Welche Wege führen aus dem Milliardenloch?
Autor: Theresa Münch und Martina Herzog, dpa
, Dienstag, 21. November 2023
Das Haushaltsurteil des Bundesverfassungsgerichts wirft einen Berg an Fragen auf. An Antworten haben sich Wirtschaftswissenschaftler und Juristen in einer Anhörung versucht.
Die Bundesregierung sieht nach dem Karlsruher Haushaltsurteil weitreichende Folgen auch für andere Rücklagen im Bundeshaushalt. Die Kredite aus dem Sondervermögen für die Energiepreisbremsen könnten «im Jahr 2023 nach derzeitiger Rechtslage nicht mehr genutzt werden», teilte Haushalts-Staatssekretär Werner Gatzer den Ministerien mit. Mit dem Schreiben, das der Deutschen Presse-Agentur vorliegt, sperrte er alle weiteren Ausgaben aus dem Wirtschaftsstabilisierungsfonds für das laufende Jahr.
Zugleich hieß es aus Kreisen des Finanzministeriums: «Die Auszahlung der Energiepreisbremsen im Jahr 2023 ist nicht betroffen.» Die bis Ende des Jahres dafür nötigen Mittel seien bereits an die Lieferanten geflossen und daher nicht von der Sperre betroffen.
Auch vom Bundestag zurate gezogene Experten erklärten, das Sondervermögen für die Energiepreisbremsen sei voraussichtlich betroffen. Denn dieses sei 2022 in der Energie-Notlage mit Krediten gefüttert worden, die aber nicht im gleichen Jahr, sondern später genutzt würden.
Genau ein solches Vorgehen habe das Bundesverfassungsgericht kritisiert, argumentierten mehrere Sachverständige in einer Anhörung des Haushaltsausschusses. Damit habe der Bund im laufenden Jahr bereits Geld ausgegeben, das ihm gar nicht zur Verfügung gestanden habe.
Das Verfassungsgericht hatte die Umwidmung von 60 Milliarden Euro im Haushalt 2021 für nichtig erklärt. Das Geld war als Corona-Kredit bewilligt worden, sollte aber nachträglich für den Klimaschutz und die Modernisierung der Wirtschaft eingesetzt werden. Nun steht es nicht mehr zur Verfügung. Zugleich entschieden die Richter auch, der Staat dürfe sich Notlagenkredite nicht für spätere Jahre auf Vorrat zurücklegen. Stattdessen müsse eine Notlage jedes Jahr neu erklärt werden.
Das Finanzministerium prüft nun, welche Rücklagen im Bundeshaushalt betroffen sind. Weil man noch nicht weiß, wie man mit dem Milliardenloch umgeht, wurden vorsorglich Finanzzusagen aller Ministerien für kommende Jahre im Haushalt gesperrt. Wie geht es nun weiter mit den Etats für dieses und das kommende Jahr - und den langfristigen Investitionen, die Ökonomen weiter für unbedingt nötig halten?
Haushalt 2023 - Kredite nachträglich rechtfertigen?
Das Hauptproblem in diesem Jahr dürfte der Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) mit den Energiepreisbremsen sein. Aus diesem Topf wurden nach Angaben des Wirtschaftsministeriums in diesem Jahr bis Ende Oktober rund 37 Milliarden Euro an Krediten genutzt. Das ist nach Auffassung der meisten angehörten Sachverständigen Geld, über das die Bundesregierung gar nicht hätte verfügen dürfen. Es seien - wie man jetzt durch das Urteil wisse - Ausgaben verfassungswidrig getätigt worden, sagte der von der Union bestellte Rechtswissenschaftler Hanno Kube.