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Grünen-Parteitag: Jugend probt den Aufstand - Eklat um Asylpolitik verhindert


Autor: Agentur dpa

Karlsruhe (Baden), Sonntag, 26. November 2023

Am dritten Tag des Bundesparteitages kochen bei den Grünen in der Nacht die Emotionen hoch. Es geht um die Asylpolitik. Zwischen dem Lager "Kein Mensch ist illegal" und denen, die mehr "Ordnung" wollen, kommt es zum Streit. Am Ende scheitert ein Aufstand der Parteijugend.
Ricarda Lang (l), Bundesvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen, und Margrethe Vestager, beurlaubte EU-Kommissionsvizepräsidentin, nehmen am Bundesparteitag von Bündnis 90/Die Grünen teil.


Eine Reihe jüngerer Delegierter hat beim an diesem Wochenende stattfindenden Bundesparteitag der Grünen massive Kritik an der Asylpolitik der Ampelkoalition geäußert. Am Ende setzte sich in der Nacht zum Sonntag (26. November 2023) allerdings die Parteispitze durch - nach tatkräftiger Unterstützung von Außenministerin Annalena Baerbock und Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck.

"Es ist unehrlich über Begrenzung zu reden, wenn die Welt in Flammen steht", hatte Vasili Franco, Mitglied im Berliner Abgeordnetenhaus, am Samstagabend in Karlsruhe kritisiert. Und die Vorsitzende der Grünen Jugend, Katharina Stolla, warnte: "Wer Rechten hinterherläuft, der gerät ins Stolpern." Die Co-Vorsitzende der Nachwuchsorganisation fügte hinzu: "Es gibt keinen Grund für weitere Asylrechtsverschärfungen." Die Kritiker der Regierungspolitik wurden lautstark bejubelt.

Grünen-Bundesparteitag: Lautstarker Jubel für Regierungskritiker

Habeck hielt dagegen. Handlungsleitend dürfe nicht das Verlangen sein, in dieser Frage "auf der richtigen Seite zu stehen". Er warnte: "Ein Parteitag einer Regierungspartei ist kein Spiel." Die Vorschläge der Grünen Jugend seien in Wahrheit "ein Misstrauensvotum in Verkleidung" und eine indirekte Aufforderung, die Ampel-Regierung aus SPD, Grünen und FDP zu verlassen.

Habeck warnte davor, dass sich die Grünen hier selbst Fesseln anlegen. Im Antrag der Grünen Jugend hieß es, weiteren Asylrechtsverschärfungen dürften weder Minister noch die Fraktionen im Bund oder in den Ländern zustimmen.

Konkret etwa "restriktiveren Regelungen für Rückführungen, der Kürzung von Sozialleistungen für Geflüchtete, der Absenkung von Schutzstandards, einer Ausweitung der sicheren Herkunftsstaaten, Schnellverfahren an Außengrenzen sowie der Unterbringung von Flüchtenden in Außengrenzlager und der Zurückweisung von Flüchtenden in vermeintlich sichere Drittstaaten".

Änderungen im Beschlusstext verhindert Eklat

"Ich kann das nicht einhalten", sagte Baerbock zu den Vorgaben im Antrag der Grünen Jugend. Sie fragte: "Soll das wirklich der Auftrag von diesem Parteitag sein?" Am Ende der Debatte fand der Antrag der Nachwuchsorganisation keine Mehrheit im Saal.

"Es ist unehrlich über Begrenzung zu reden, wenn die Welt in Flammen steht", Vasili Franco, Grünen-Mitglied im Berliner Abgeordnetenhaus,

Um einen Eklat zu verhindern, hatte sich der Parteivorstand allerdings zu einigen Änderungen an seinem Beschlusstext zum Dringlichkeitsantrag bereiterklärt. Der stand unter dem Titel "Humanität und Ordnung: für eine anpackende, pragmatische und menschenrechtsbasierte Asyl- und Migrationspolitik". So wurde beispielsweise der Satz gestrichen: "Daneben müssen, wo die Kapazitäten erschöpft sind, durch rechtsstaatliche und menschenwürdige Maßnahmen auch die Zahlen sinken."

"Steuerung und Rückführung gehören zur Realität"

Die Grünen-Politiker Ricarda Lang und Winfried Kretschmann hatten vor dreieinhalb Wochen in einem gemeinsamen Gastbeitrag für den "Tagesspiegel" zum Thema Migration nach Deutschland geschrieben: "Wenn die Kapazitäten - wie jetzt - an ihre Grenzen stoßen, müssen auch die Zahlen sinken."

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Die Parteivorsitzende und der baden-württembergische Ministerpräsident betonten, bei aller gebotenen Menschlichkeit gelte: "Steuerung und Rückführung gehören zur Realität eines Einwanderungslandes wie Deutschland dazu." Der Bundestag soll am kommenden Donnerstag in erster Lesung über einen Gesetzentwurf der Bundesregierung beraten, der das Ziel hat, dass "gesetzliche Regelungen, die Abschiebungsmaßnahmen verhindern oder zumindest erschweren, angepasst werden sollen".

"Lasst uns nicht schon hier auf dem Parteitag einen Kompromiss mit konservativen Kräften verabschieden", forderte Sophia Pott aus Lübeck. Zuvor hatte der Co-Parteivorsitzende Omid Nouripour die Delegierten darauf hingewiesen, dass die Grünen als Regierungspartei daran gemessen würden, ob sie Lösungen lieferten oder nicht.

Auf dem von emotionalen Auftritten und Selbstvergewisserung geprägten Parteitag haben die Grünen ihre Parteivorsitzenden, Ricarda Lang und Omid Nouripour, im Amt bestätigt. Die rund 800 Delegierten ermöglichten dem Führungsduo damit in Karlsruhe eine weitere zweijährige Amtszeit.