Gipfel in Berlin – Europa strebt digitale Souveränität an
Autor: Anne-Beatrice Clasmann, dpa
, Sonntag, 16. November 2025
Zu den Abhängigkeiten mit geopolitischem Risiko zählen auch die bei IT-Dienstleistungen aus den USA – vor allem Cloud-Dienste. Ein Gipfel diese Woche in Berlin soll Auswege aufzeigen.
Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) und Frankreichs Präsident, Emmanuel Macron, haben sich angekündigt zum Treffen der Digitalminister und IT-Fachleute in Berlin. Rund 900 Teilnehmer werden beim Europäischen Gipfel zur Digitalen Souveränität am Dienstag erwartet. Was lange Zeit ein Nischenthema für IT-Fachleute war, steht inzwischen weit oben auf der politischen Agenda.
Denn viele Unternehmer und auch Führungskräfte in der öffentlichen Verwaltung stellen sich die bange Frage: Wie sicher sind meine Daten in den Clouds großer US-Tech-Unternehmen wie Amazon Web Services (AWS), Microsoft Azure oder Google Cloud? Und könnte vielleicht eines Tages der Zugang zu meinem E-Mail-Konto blockiert sein? Hier geht es ausdrücklich nicht um Sorgen wegen möglicher Hackerangriffe, sondern um etwaige Maßnahmen auf Geheiß der US-Regierung.
Kein Anti-US-Tech-Gipfel
Aus der Bundesregierung ist zwar zu hören, der Gipfel in Berlin richte sich nicht explizit gegen die USA. Doch vielleicht will man mit Blick auf bestehende Abhängigkeiten und heikle Zollfragen auch einfach kein Öl ins Feuer gießen.
Zugriff der US-Justiz?
Das 2022 vom Bundesinnenministerium gegründete Zentrum für Digitale Souveränität in der Öffentlichen Verwaltung hat diesen Sommer jedenfalls unter der Überschrift «US-Recht kennt keine Grenzen» folgenden Hinweis auf juristische Risiken veröffentlicht: «Durch Gesetze wie den CLOUD Act und FISA 702 unterliegen alle US-Cloud-Anbieter der Pflicht, Daten auch dann offenzulegen, wenn sie außerhalb der USA gespeichert sind.» Dasselbe gelte für entsprechende verbindliche Anordnungen des US-Präsidenten. Die Amazon Web Services Cloud wird beispielsweise für die Speicherung von Aufzeichnungen von Bodycams der Bundespolizei genutzt.
FISA 702 ermöglicht US-Geheimdiensten wie der NSA das Abfangen von Kommunikation, die von US-amerikanischen Unternehmen bereitgestellt wird. Der Cloud Act erlaubt US-Ermittlungs- und Strafverfolgungsbehörden den Zugriff auf Daten, die von US-Unternehmen gespeichert werden, unabhängig davon, wo sich die Daten physisch befinden – also auch in europäischen Rechenzentren.
Geopolitische Herausforderungen
«Die Stärkung der europäischen digitalen Souveränität ist für die Bundesregierung wie auch für die Regierungen der anderen EU-Mitgliedstaaten ein wichtiges Thema – gerade auch mit Blick auf die aktuellen geopolitischen Herausforderungen», sagt ein Sprecher des Digitalministeriums. Von dem Gipfel solle «das starke Signal ausgehen, dass sich Europa der Herausforderungen bewusst ist und die digitale Souveränität engagiert vorantreibt».
Für das Zentrum für Digitale Souveränität ist es das erklärte Ziel, die «kritischen Abhängigkeiten» der öffentlichen Verwaltung von großen, zumeist nicht-europäischen Software- und Cloud-Anbietern aufzulösen, deren Lösungen inzwischen fester Teil vieler staatlicher IT-Infrastrukturen geworden ist.