Vortrag abgesagt: Humboldt-Universität distanziert sich von transfeindlichen Äußerungen
Kurz nach der Absage Anfang Juli waren jene alarmiert, die sich auch gerne über angebliche „Frühsexualisierung“ im Öffentlich-Rechtlichen Rundfunk ereifern und hinter jeder Ecke eine Verschwörung böser woker Queer-Aktivist*innen vermuten. Die Erzählung der „Cancel Culture“ wurde eifrig aufgegriffen und wie es sich für brutal gecancelte Menschen aus der rechts-konservativen Ecke gehört, bekam Frau Vollbrecht eine Menge mediale Aufmerksamkeit. Ihr Vortrag, den sie auf einen Youtube-Kanal verlegte, wurde von der Bildzeitung angepriesen und alle überregionalen Medien berichteten über den Fall, teilweise mit völlig verzerrtem Opfermythos einer zum Verstummen gebrachten Wissenschaftlerin.
Die Humboldt-Universität hat sich allerdings auch von den Meinungen der Doktorandin distanziert, die sie in bester Manier einer verkannten Wissenschaftlerin, bereits massenwirksam in der Zeitung „Die Welt“ am 1. Juni zum Besten geben durfte, zusammen mit einigen anderen Kämpfer*innen für Zweigeschlechtlichkeit und gegen geschlechtliche Vielfalt. Zum transfeindlichen Artikel, an dem Marie-Luise Vollbrecht mitgeschrieben hatte, sagte die Humboldt-Uni: „Sie stehen nicht im Einklang mit dem Leitbild der HU und den von ihr vertretenen Werten. Die HU hat sich dem wechselseitigen Respekts vor dem/der Anderen' verpflichtet. Wir distanzieren uns daher von dem Artikel und den darin geäußerten Meinungen ausdrücklich.“ Das passt nicht so gut ins Narrativ der armen Kämpferin für Wissenschaft und Aufklärung, die von Linksradikalen beinahe mit Gewalt gehindert wurde, für die Wahrheit zu kämpfen. Medien von FAZ bis Bild im Einklang mit rechten Blogs wie „Tichys Einblick“ stilisieren sie zur deutschen Kathleen Stock und wollen mit aller Gewalt zeigen, dass „linke Aktivisten“ mit ihrem „Gesinnungsterror“ den „normalen Menschen“ ihre Weltsicht „aufzwingen“ wollen.
Eine Hetzkampagne im Schafspelz der Wissenschaft
Was die schnell empörten Streiter*innen wider den „woken Gesinnungsterror“ aber gerne verschweigen, ist, dass der Vortrag an sich völlig ungeeignet war: Weder war er dazu angetan, im Rahmen einer „Langen Nacht der Wissenschaft“ wissenschaftliche Inhalte auch für die interessierte, breite Masse aufzubereiten, noch war er wissenschaftlich von irgendeinem Wert. Der Glaubenssatz „Es gibt nur zwei Geschlechter“ mag zwar schmissig daherkommen und geht auch konservativen Kolumnist*innen leicht von den Lippen, ist aber so nicht haltbar und wissenschaftlich völlig überholt.
So zu tun, als würde man mit dieser These eine wissenschaftliche Debatte sinnvoll befeuern, ist in etwa so, als würde man gerne noch mal darüber diskutieren wollen, ob nun die Erde um die Sonne kreist oder ob Viren existieren. Das sind Debatten vergangener Jahrhunderte, deren Wiederholung die Wissenschaft um keinen Millimeter weiterbringt – im Gegenteil.
Was dann noch übrig bleibt, ist der Versuch einer Aktivistin, ihre Ansichten mehr oder weniger subversiv im Schafspelz eines wissenschaftlichen Vortrags unters Volk zu bringen. Dabei war die Eskalation sicherlich Teil des Plans – eine Win-Win-Situation sozusagen. Hätte der Vortrag stattgefunden, hätte sie dies als Erfolg gefeiert. Im Fall der Absage und des Protests kann die „Cancel Culture“-Maschinerie angeworfen werden und alle Welt redet über unwissenschaftlichen Unfug, als wäre er tatsächlich Gegenstand des wissenschaftlichen Diskurses. Das nennt man übrigens "false balance" – sehr beliebt auch bei wissenschaftsfeindlichen Klimaleugner*innen und sogenannten Querdenker*innen.
Zweigeschlechtlichkeit - ein Konzept von vorgestern
Der Vergleich wirkt absurd und deplatziert? Wohl nur, wenn man die sonstigen Umtriebe der nun angeblich gecancelten Doktorandin der Meeresbiologie nicht kennt. Auf Twitter ist sie als „Frau Summer“ unterwegs und macht dort vor allem mit vor allem transfeindlichen Ausfällen auf sich aufmerksam. Da fantasiert sie zum Beispiel auch über Kastrationen mit „rostiger Gartenschere Stück für Stück“ oder unterstellt regelmäßig allen trans Menschen Pädophilie. Dafür erhält sie Applaus, auch von rechten Trollen und aus den Reihen der AfD. Diese Verbindungen und Überschneidungen bereiten ihr und ihren Mitkämpfer*innen aber offenbar keine Sorge.
Es braucht nicht viel Fantasie, um den Vorfall in einem Zusammenhang mit dem kürzlich in seinen Eckpunkten präsentierten Selbstbestimmungsgesetz zu sehen. Dieses soll nach dem Willen der Ampel das in Teilen verfassungsfeindliche Transsexuellengesetz ablösen und bis Mitte 2023 in Kraft treten. Für rechte und konservative Kreise, die am Glauben an die zwei Geschlechter festhalten wollen, natürlich ein Gräuel, dass der deutsche Rechtsstaat in diesem Aspekt endlich in der Realität ankommt.
Man darf sich also darauf einstellen, dass solche inszenierten Skandale wie der angebliche Gesinnungsterror an der Humboldt-Uni verstärkt auftreten werden. Die Medienkampagnen werden häufiger und heftiger werden. Marginalisierte werden noch einige Monate vielen Angriffen ausgesetzt sein, bis sie wenigstens ein bisschen mehr Rechtssicherheit haben. Wer sich unterdessen über die komplexe und wunderschöne Welt der Biologie informieren will, ist gut beraten, sich in Artikeln und Büchern zu informieren, die den Stand der Wissenschaft und deren aktuelle Debatten widerspiegeln. Randständige Ansichten von vorgestern gehören nicht dazu und das ist auch gut so.
Die Medien und ihre Verantwortung
Wie man auch an diesem Fall sehen kann, kommt Medien mit ihrer Berichterstattung über komplexe Themen eine große Verantwortung zu. Wie man über Themen berichtet, die etwa Marginalisierte betreffen, kann über den Fortgang des gesellschaftlichen Diskurses mitentscheiden.
Bundesverband Trans* (BVT* e. V.), Deutsche Gesellschaft für Transidentität und Intersexualität (dgti e. V.), TransInterQueer (TrIQ e. V.) und Inter*Trans*Beratung Queer Leben haben daher eine Petition gestartet und richten sie an alle deutschen Medienschaffenden. Ziel ist es, Aufklärung über transfeindliche Berichterstattung zu schaffen. Hierzu wurde auf der Plattform innn.it eine Petition ins Leben gerufen, die bereits mehrere Tausend Menschen unterschrieben haben, darunter auch viele Inititativen und Institutionen. Auf der Seite heißt es etwa:
"Meinungsfreiheit ist ebenso wie die Würde des Menschen höchstes Gut für eine demokratische Gesellschaft. Sie umfasst allerdings nicht nachprüfbar unwahre Tatsachenbehauptungen und sie endet mit der Verletzung der Menschenwürde. Genau hier setzt die Verantwortung der Medien für eine tatsachenbasierte und menschenwürdige Berichterstattung ein. Deswegen appellieren wir an Medien, abwertende Meinungsäußerungen nicht unhinterfragt zu übernehmen."
Ziel von "Transmedienwatch" ist es, für eine respektvolle und menschenwürdige Berichterstattung einzutreten. Die Initator*innen der Petition weisen nämlich auf die Beispiele in den USA und Großbritannien hin, wo transfeindliche Berichterstattung immer häufiger in großen Medien verbreitet wird und zu einer Radikalisierung von Gesetzen und gesellschaftlicher Stimmung beiträgt. Diesen Tendenzen in Deutschland will man entgegenwirken. Auf der Petitionsseite bei innn.it können Privatpersonen und Institutionen ihre Unterstützung kundtun.
Bisher galt neben der Pressefreiheit auch die Freiheit von Forschung und Lehre. Warum diese Grundsätze immer wieder mit den Füssen getreten werden? Im übrigen gibts rein genetisch nur 2 Chromosomensätze XX oder XY aber eben nicht XZ oder XW..... Und die Erde ist eine Kugel und keine Pizza. Sie dreht sich um die Sonne und nicht die Sonne um die Erde, Mal sehen wann dieses in Kommentaren angezweifelt wird und Astrophysiker die das an der UNI lehren verteufelt und bedroht werden. Wissenschaft beruht auf Fakten und die sind nicht diskutabel, wohl aber die Schlüsse die man aus den Fakten zieht! Das Mittelalter ist noch nicht rum, nur die Themen sind eben neu und es ist diesmal nicht die Kirche die sich falsch verhält. Intolerant beschreibt den Zeitgeist nur unzureichend
Sie haben keine Ahnung!
Es gibt z.B. XXX, XXYY und weitere Kombinationen!
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Machen Sie sich die Welt wie sie sich gefällt, heißt aber nicht, dass alle Menschen ihre verdrehte Weltanschauung akzeptieren müssen.
Sie haben noch keine Hetzkampagne gesehen.
Das Berichten über die Tatsache das Menschen nur zwei Geschlechter haben, ist kein Hass. Es ist Realität.
Die Juristen, die einem Erzählen wollen, dies wäre nicht der Fall, sind auch besonders unterhaltsam.
Himmel - dieses Gegendere regt mich nur noch auf!!!!!! In Sendungen hört sich die Kunstpause nur noch nach Schluckauf an. Und in Schreiben wird es immer unübersichtlicher, so dass viele dazu übergehen, den Zusatz anzubringen, dass natürlich alle gemeint sind, aus Gründen der besseren Verständlichkeit aber nur ein Geschlecht im Text gewählt wird Und wenn man versehentlich Student anstatt Studierender sagt, geht ein Aufschrei durchs Land. Wie lange wird es wohl noch daueren, bis bei den Bezeichnungen für männlich / weiblich / divers nicht ersichtlich ist, dass es sich um einen Veganer, Vegetarier oder Fleischesser handelt und man sich weigert, per Anrede mit diesen verwechselt zu werden. Kann man nicht einfach sagen, dass man niemanden ausschliessen will, zu allen nett sein mag und dann weiterreden, wie bisher. Die Welt hat Riesenprobleme und statt dessen wird ständig geredet und geredet, wer sich wie und wann evtl. nicht angesprochen oder ausgeschlossen oder beleidigt fühlt. Die Vorschrift, dass keiner aufgrund seiner Hautfarbe, Religion oder Geschlecht verunglimpft werden darf, gibt es doch schon und dass niemand einen Menschen beleidigen will, wenn er nicht daran denkt, dass das Gegenüber evtl. "divers" ist, muss doch reichen. Da müsste ich ich ja im Alltag jeden fragen, ob er gesiezt oder geduzt werden will, ober er evtl.divers ist und ob er/sie/es sonst noch was hat, was man nicht ansprechen soll oder unbedingt ansprechen soll. Wenn man was fragen will und beginnt mit:"Hallo junge Frau, könnten Sie bitte..........., dann ist man trotz Hofflickeit schon in drei Fettnäpfchen getappt und kann verklagt werden. Vielleicht will die Person nicht als jung bezeichnet werden, Frau geht gar nicht, auch wenns stimmt und das "Sie" verweigern auch immer mehr, weil zu formal und unpersönlich. Also ich glaube, ich werde lieber mit niemand mehr reden, wenn ich den Satz vorher eine halbe Stunde zurechtlegen muss.