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Gerichtsurteil gefällt: Kein Recht auf tödliches Medikament bei Sterbehilfe


Autor: Gwendolyn Kaiser, Agentur dpa

Deutschland, Dienstag, 07. November 2023

In Deutschland hat jede Person das Recht, frei über seinen Tod zu entscheiden. Das Bundesverwaltungsgericht hat nun ein Grundsatzurteil zur Umsetzung dieses Rechts gefällt.


Das Recht auf selbstbestimmtes Sterben umfasst laut Gesetz die Freiheit, sich selbst das Leben zu nehmen. Diese Freiheit ist als Handlung der Selbstbestimmung in der Gesellschaft zu akzeptieren. Auf dieses Recht hatten zwei Männer aus Rheinland-Pfalz und aus Niedersachsen geklagt. Beide wollten sich mithilfe des Betäubungsmittels Natrium-Pentobarbital im Kreis ihrer Familien ohne Hilfe eines Arztes selbst töten.

Das Bundesverfassungsgericht in Leipzig lehnte jedoch am Dienstag (7. November 2023) die Klage auf einen Zugang zu einer tödlichen Dosis Betäubungsmittel zum Suizid ab. Das Betäubungsmittelgesetz, das keine Erlaubnis zum Erwerb des Mittels Natrium-Pentobarbital vorsieht, verstoße nicht gegen das Recht des Einzelnen auf selbstbestimmtes Sterben.

Selbsttötung mit Betäubungsmittel abgelehnt: Gründe des Gerichts

Geklagt hatten ein Mann aus Rheinland-Pfalz und ein Mann aus Niedersachsen. Der eine ist durch Multiple Sklerose fast vollständig gelähmt, der andere hat schwere Krebserkrankungen durchgemacht. Sie hatten beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) die Erlaubnis verlangt, Natrium-Pentobarbital erwerben zu dürfen.

Das Bundesinstitut lehnte die Erlaubnis unter Verweis auf das Betäubungsmittelgesetz ab. In den Vorinstanzen hatten die Klagen der Männer keinen Erfolg. Jetzt wies das Bundesverwaltungsgericht auch ihre Revision zurück. Das Gericht begründet seine Entscheidung so, dass der Erwerb von Natrium-Pentobarbital zur Selbsttötung grundsätzlich nicht mit dem Zweck des Betäubungsmittelgesetzes zu vereinbaren sei. Dieser Zweck sei die notwendige medizinische Versorgung der Bevölkerung. Das bedeute Heilung und Linderung von Krankheiten. Das eigene Leben zu beenden, habe diese therapeutische Zielrichtung grundsätzlich nicht.

Dass die Kläger keine Erlaubnis erhielten, Natrium-Pentobarbital erwerben zu können, greife zwar in ihr Recht auf selbstbestimmtes Sterben ein. In der Abwägung mit anderen Gemeinwohlbelangen sei das aber gerechtfertigt. Das Betäubungsmittelgesetz habe das legitime Ziel, Missbrauch zu verhindern. Zudem gebe es für Menschen, die ihr Leben beenden wollen, "andere zumutbare Möglichkeiten zur Verwirklichung ihres Sterbewunsches" - etwa über Sterbehilfeorganisationen oder Ärzte, die zur Suizidhilfe bereit sind. Es können auch andere tödlich wirkende Medikamentencocktails eingesetzt werden.

Selbsttötung mit Natrium-Pentobarbital abgelehnt - "Schwarzer Tag" für Sterbewillige

Der Anwalt der Kläger, Robert Roßbruch, reagierte enttäuscht auf das Urteil. "Das ist ein schwarzer Tag für die beiden Kläger und ein schwarzer Tag für alle suizidwilligen Menschen in Deutschland, die die Hoffnung hatten, sich mit Natrium-Pentobarbital suizidieren zu können, um ihr Leid zu beenden." Er kündigte an, sich voraussichtlich an das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe wenden zu wollen. Dazu wolle er die schriftliche Urteilsbegründung abwarten, die Anfang nächsten Jahres vorliegen soll.

Dagegen begrüßte die Deutsche Stiftung Patientenschutz das Urteil. "Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte hat keinen Auftrag, die Zuteilung von Natrium-Pentobarbital zu regeln", erklärte Vorstand Eugen Brysch. Es gebe genug andere Selbsttötungsmittel. Der Bundestag sei aber gefordert, ein Verbot der kommerziellen Sterbehilfe auf den Weg zu bringen.

Die Ärztin und Grünen-Bundestagsabgeordnete Paula Piechotta erklärte, es müsse jetzt dringend eine Mehrheit für eine Neuregelung der Suizidhilfe zustande kommen. Nötig sei ein "lagerübergreifender Lösungsansatz". Im Sommer hatten sich im Parlament keine Mehrheiten für zwei Gesetzesentwürfe gefunden.