Bundesregierung muss Afghanen mit Zusage Visa erteilen
Autor: Marion van der Kraats und Anne-Beatrice Clasmann, dpa
, Dienstag, 08. Juli 2025
Die Bundesregierung will das Aufnahmeprogramm für gefährdete Afghanen beenden. Einige der Betroffenen haben aber bereits eine Zusage. Eine Gerichtsentscheidung zwingt nun zum Handeln.
Schlappe vor Gericht für die neue Bundesregierung: Das Auswärtige Amt muss einer Afghanin und ihrer Familie Visa zur Einreise nach Deutschland erteilen, nachdem entsprechende Zusagen gemacht wurden. Das hat das Verwaltungsgericht Berlin in einem Eilverfahren im Streit um das Bundesaufnahmeprogramm für besonders gefährdete Afghaninnen und Afghanen entschieden, wie eine Gerichtssprecherin mitteilte. (Az.: VG 8 L 290/25)
Die Bundesregierung habe sich «durch bestandskräftige, nicht widerrufene Aufnahmebescheide rechtlich zur Aufnahme gebunden», erklärten die Richter zur Begründung. «Von dieser freiwillig eingegangen Bindung» könne sich Deutschland nicht lösen.
Afghanische Juradozentin stellte Eilantrag
Damit war der Eilantrag der Juradozentin und ihrer 13 Familienangehörigen, die in Pakistan auf Visa warten, in erster Instanz erfolgreich. Das Auswärtige Amt ist nach der Entscheidung laut Gerichtssprecherin verpflichtet, sofort zu handeln. Gegen den Beschluss kann jedoch Beschwerde beim Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg eingelegt werden. Sollte die Behörde das tun, könnte es zu Verzögerungen kommen.
Aus dem Auswärtigen Amt hieß es, die Bundesregierung prüfe den Beschluss. Zugleich wurde darauf hingewiesen, dass dieser noch nicht rechtskräftig sei. Ein Sprecher des Bundesinnenministeriums sagte auf Nachfrage: «Grundsätzlich gilt: Jeder Einzelfall wird betrachtet.» Neben der Betrachtung des Einzelfalls würden auch die notwendigen Sicherheitsüberprüfungen durchgeführt. Für Menschen im Verfahren, die sich in Pakistan aufhielten, werde die Unterbringung, Versorgung und Betreuung vor Ort durch die Bundesregierung organisiert.
Vereinbarung im Koalitionsvertrag
In ihrem Koalitionsvertrag hatten sich CDU, CSU und SPD darauf geeinigt, keine neuen freiwilligen Aufnahmeprogramme des Bundes für bestimmte Gruppen von Schutzbedürftigen mehr zu starten. Auch die Beendigung des Aufnahmeprogramms für Afghanen wurde darin als Ziel formuliert.
Dass zumindest einige der Politikerinnen und Politiker, die an den Koalitionsverhandlungen beteiligt waren, Zweifel hatten, dass dies vor Gericht Bestand haben würde, lässt sich allerdings schon an der Formulierung im Koalitionsvertrag ablesen. Darin heißt es: «Wir werden freiwillige Bundesaufnahmeprogramme soweit wie möglich beenden (zum Beispiel Afghanistan) und keine neuen Programme auflegen.»
Für das Bundesinnenministerium, das das Aufnahmeprogramm gemeinsam mit dem Auswärtigen Amt verantwortet, ist dies nun binnen weniger Wochen die dritte Niederlage vor Gericht, die für Schlagzeilen sorgt. Anfang Juni hatte eine andere Kammer des Berliner Verwaltungsgerichts die Zurückweisung dreier Asylsuchender aus Somalia nach Polen für rechtswidrig erklärt. Am 24. Juni hob das Bundesverwaltungsgericht das Verbot des rechtsextremen Magazins «Compact» auf, das die damalige Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) im Sommer 2024 erlassen hatte.