Flori und die echte Rampensau
Autor: Jochen Nützel
Hof, Sonntag, 27. Januar 2013
Nach acht Jahren Abstinenz ist die große Samstagabend-Unterhaltung zurück in Hof: Mit Florian Silbereisens "Winterfest der fliegenden Stars" ließ der MDR neben einem Schwein die Kuh in der Freiheitshalle fliegen.
Erste Diskussionen auf dem Parkplatz. "Der Florian drächt hoffendlich sein Scheidl net widder su weit außen. Furchtbor." Die Frau mit der Stola deutet ein Kopfschütteln an, muss aber abbrechen und die Aufmerksamkeit auf die unteren Extremitäten legen. Sie stakst über den vereisten Parkplatz vor der Freiheitshalle. Ihr Mann zieht stumm auf dem Geläuf das Tempo an. Das Duo ist wie weitere 3000 Besucher auf dem Weg zur Nachmittags-Generalprobe vom "Winterfest der fliegenden Stars". Und spät dran.
Drinnen in der Halle rackert sich Mike Petschel ab, der Gute-Laune-Bär vom MDR. Macht die Ein-Mann-Laola, quiescht wie der Kleine Nils, der Ulk-knirps ausm Radio, animiert zum Klatschen, Trampeln, Fröhlichsein. Heiterkeit auf Zuruf, Hof macht mit. Warm-up nennt sich das in der Branche.
Gute Laune in Petrol
Dann trabt Florian Silbereisen herein. Ein Strahlemann; legerer Anzug, petrolfarben glitzernd. Eine Kobaltmine auf zwei Beinen. "Den Schlof onzuch ziechtä scho späder aus bei der Live-Scho, odder?" Die Frau mit der Stola wieder. Sie irrt. Silbereisen bleibt bei der Kleiderwahl, entert die Tribüne, erntet zugeworfene Küsschen. Deutet auf die Schanze, im Konzept der Sendung der stumme Hauptdarsteller, auf dem sich später mehr die Stars mehr oder weniger freiwillig runtertrauen. "So eine Schanze hatte Hof noch nicht, oder?" ruft der Flori. Einen Schanze hatte Hof schon mal: Michael Schanze, lange her. Aber eine Schanze? Wo einst Kulenkampff, Frankenfeld, Moik und Elstner standen und Thomas Gottschalk (der trotz Einladung nicht kam) 1987 mit "Wetten dass...?" debütierte, überragt sie an diesem Samstag mit sieben Metern Höhe alles in dieser Winterlandschaft aus Schaumstoff, Styrophor, LED-Birnchen und Glitter. Die Kulisse ist 50 Meter breit; mehr geht nicht, sonst stoßen sich die Schneefrau den Kopf und die veschneite Burgruine die Zinne an. Ein transportables Einweg-Wunderland, ausgespuckt aus den Bäuchen von neun 40-Tonnern. Der MDR ließ heftig auffahren, um Hof und die umgemodelte Freiheitshalle willkommen zu heißen: zurück in der Riege der Austragungsstätten für den Unterhaltungsdino Samstagabend-Live-Show.
Nach mehr als drei Stunden hat die Freiheitshalle, für stolze 36 Millionen eben auch für derlei Anlässe ertüchtigt, die Feuertaufe bestanden. Aufnahmeleitung und Produktionsteam heben den Daumen. Technisch einwandfrei, vielleicht etwas beengt. In der Tat geht es verzwickt zu zwischen Bühne und Tribüne. Acht Kameras fangen Akteure, Gespräche, Skisprünge ein. Eine Krankamera hängt am Ausleger, schiebt sich mehrfach dem Publikum vor die Linse.
Die Helfer der Kameraleute ziehen pausenlos fünf Kilometer Kabel über den Boden, über die DJ Ötzi und Matthias Reim genauso drübersteigen müssen wie die goldberobten Tänzerinnen vom Fernsehballett. Die Fotografen in den ersten Reihen fluchen. Kaum ein Durchkommen, selbst mit Teleobjektiv. Mitunter frei bleibt der Blick zur "Star-Bar", so etwas wie die Gäste-Parkbucht. Hier kommt Musical-Star Zodwa Selele aus Kirchenlamitz mit Sprung-Floh Jens Weißflog ins Gespräch. Anita Hegerland, das Roy-Black-Mädel mit dem Lied über die Biene und das Stachelschwein (selber mittlerweile eine Wuchtbrumme), scherzt mit Nachrichtensprecher Marc Bator, wegen seiner Landung beim Springen "Tele-Marc" getauft.
Ein Mini-Playback-Kind
Marijke Amado flüstert gerade ihrem Sangeskollegen Christoff Ungehörtes zu, als Silbereisen sich dazu gesellt und bekennt: "Alles, was ich als Moderator gelernt habe, habe ich von Dir aus der Mini-Playback-Show." Holland ist also schuld, mal wieder. Hinter der erblondeten Carolin Käsereiber langweilt sich ein sichtlich genervter Stefan Mross. Keine Spur mehr vom Gute-Laune-Buam, den er wenige Minuten zuvor noch beim Singen gab. Schauspieler Albert Fortell und Box-Weltmeister Marco Huck wahren immerhin auch abseits der Kameralinsen gute Miene. Weil der MDR bei aller Planbarkeit offenbar doch einen Hauch Risiko gehen will, hat man Karl Dall eingeladen. Der Mann mit dem Lid-Schatten frotzelt bei der Generalprobe ein paar Mal deftig gegen Mross & Co., gibt sich bei der Live-Übertragung ab 20.15 Uhr aber humortechnisch kompatibel zu Sender und Zielgruppe.
Lust auf Leberwurst
Nur Ruth Moschner, Sprung-Jurorin der Veranstaltung, zischelt erfrischend frei von der Leber weg. Als Silbereisen sich zum Finale ein Hupfduell mit Mross liefert und dabei in eine silberne Ganzkörperpelle fräst, entfährt der Kommentatorin der hinreißende Satz: "Wo ich Dich so sehe, bekomme ich plötzlich Lust auf ein Leberwurstbrot."
Der Flori hat aber auch Schwein bei seinem Sprung: Er geht auf einer Plaste-Sau über den Backen. Quiz-Master Robert Lembke hätt's gefallen. Welches Schweinderl hätten's denn gern? Die Frage stellt sich nicht. Hof hat den Entertainer längst ins Herz geschlossen. Vielleicht, weil er seinen Scheitel diesmal richtig gezogen hat.