Patienten werden zunehmend dreister. Aggression und Übergriffigkeiten in Arztpraxen haben so stark zugenommen, dass medizinisches Personal fast täglich Gemeinheiten erdulden muss - die teilweise mit Bußgeld bestraft werden können.
Mit einem Kloß im Hals zur Arbeit gehen, davon kann Praxis-Mitarbeiterin Melanie Seibold ein Lied singen. "Verbale Entgleisungen seitens der Patienten gibt es fast täglich", erzählt die 46-Jährige, die in einer Arztpraxis bei Stuttgart arbeitet. Früher seien die lieben, guten, netten Patienten in der Überzahl gewesen. "Das hat sich nicht ganz umgedreht, aber es kommt dem nahe." Die Kassenärztliche Bundesvereinigung kennt das Problem - und Gründe.
"Verbale Attacken, Übergriffigkeiten nehmen zu, in allen Praxen", stellt Günther Fuhrer fest. Er ist Chirurg in Reutlingen und Mitinitiator der Aktion "Respekt füreinander miteinander", mit der Ärzte in Baden-Württemberg mehr Bewusstsein für das Problem in der Bevölkerung schaffen wollen. In Fuhrers Praxis sind deshalb nun Aufkleber, Buttons und Plakate angebracht.
Zorn in Arztpraxen nimmt zu: Personal muss Beleidigungen und Übergriffigkeiten erdulden
Was sich Praxismitarbeiter so anhören müssen? Von Sätzen wie "Du spinnst wohl", "Sie haben ja einen Knall", "Ihr seid wohl nicht ganz dicht" bis hin zu wüsten, teils vulgären Schimpfworten und auch Drohungen sei alles dabei, sagt Seibold. "Diese Entwicklung ist nicht nur in Reutlingen, sondern in allen Teilen des Landes zu beobachten", sagt Nicola Buhlinger-Göpfarth, Vorsitzende des Hausärzteverbandes Baden-Württemberg. "Der Ton wird rauer."
Die Hintergründe seien vielfältig. In Zeiten von Hausärztemangel würden die Ressourcen knapper und die Wartezeiten auf Termine länger. "Es scheint allerdings ein genereller Trend zu sein, dass Menschen ihren Frust an Helfenden auslassen", sagt Buhlinger-Göpfarth und verweist dabei auch auf die Angriffe auf Polizei, Rettungsdienste und Feuerwehren, die seit langem immer wieder Schlagzeilen machen.
Die Kassenärztliche Bundesvereinigung spricht von einer "gefühlten" Zunahme von Aggressionen. "Knappe Ressourcen wie Impfstoffe während der ersten Phase der Corona-Pandemie führten beispielsweise zu einem regelrechten Ansturm auf die Praxen", sagt Sprecher Roland Stahl. So mancher Patient habe keine Rücksicht genommen, dass ältere Menschen oder solche mit Vorerkrankung bei der Impfung priorisiert worden seien. "Den Ärger bekamen vor allem die Praxisteams ab."
Schon vor Corona ein Thema: Bereits 2019 aufgefallen
Offene Rücksichtslosigkeit und einen rauen Umgangston habe man bereits 2019 festgestellt, sagt die Präsidentin des Verbandes medizinischer Fachberufe (vmf), Hannelore König. "Schon damals gab es Patienten, die jede Hemmung verloren und im Wartezimmer oder an der Anmeldung tobten." 2021 habe sich auch der Ärztetag mit dem Thema beschäftigt und mit Nachdruck gefordert, Gewalt gegen medizinisches Personal zu ächten. Inzwischen berichteten medizinische Fachangestellte aus allen Teilen Deutschlands von vermehrter Aggressivität. "Es zieht sich durch alle Schichten und Regionen."
Zahlen oder valide Statistiken zu den Vorfällen gibt es laut vmf-Präsidentin König und anderen Experten nicht. "Erfahrungsgemäß werden viel zu wenige solcher Taten zur Anzeige gebracht." Auf Anregung des Verbandes beschäftige sich inzwischen ein Forscherteam rund um Professor Adrian Loerbroks von der Universität Düsseldorf mit diesem Thema. Ergebnisse gebe es noch nicht.
Uns wurde doch schon vor Jahren von Politiker:innen mitgeteilt, dass ab jetzt sich vieles ändern wird und das Zusammenleben täglich neu ausgehandelt werden muss. So sollte vielleicht auch der Hippökratische Eid neu verhandelt werden, man rettet nicht Leben, soweit man es nur irgendwie kann, sondern bietet seine "Dienstleistungen" nur begrenzt an und arbeitet mit Haus- und Betretungsverboten für Menschen, die sich schon mehrfach daneben benommen haben oder die sich weigern, etliche Begleiter vor der Praxis warten zu lassen. Bisher muss ein Arzt ja behandeln, selbst wenn er auf jemanden trifft, der ihm schon mehrere Zähne ausgeschlagen hat - einfach mal so. Oder man stellt Ärzte in Krankenhäusern, Arztpraxen, Rettungssanitäter, Feuerwehrleute usw. unter Polizeischutz. Das Problem ist leider, dass inzwischen selbst die Polizisten Polizeischutz benötigen würden.