"Verantwortungsgemeinschaft" kommt: So profitieren Familien finanziell von der neuen Reform
Autor: Verena Schultheiß, Redaktion
Deutschland, Montag, 10. Januar 2022
Unter der neuen Ampelregierung soll die Familienrechtsreform umgesetzt werden - laut Justizminister Marco Buschmann (FDP) schon bis zur Mitte der Wahlperiode. Die Neuerung verspricht Gemeinschaften, die nicht dem klassischen Familienmuster entsprechen, mehr finanzielle und rechtliche Unterstützung.
"Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung", heißt es im Grundgesetz. Das will die Ampel-Regierung nicht antasten. Neben der Ehe will sie aber schon bald rechtssichere Vereinbarungen für andere Formen von Gemeinschaft schaffen. Die im Koalitionsvertrag vereinbarten Pläne sollen unter anderem unverheirateten Paaren, homosexuellen Eheleuten mit Kindern sowie Gemeinschaften, die nicht auf einer Liebesbeziehung fußen, neue rechtliche Möglichkeiten geben.
"Was wir im Koalitionsvertrag vereinbart haben, ist vermutlich die größte familienrechtliche Reform der letzten Jahrzehnte", sagte Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) der Deutschen Presse-Agentur.
Familienrechtsreform: Veränderte Lebenswirklichkeiten abbilden
Die Lebenswirklichkeiten der Menschen in Deutschland hätten sich in den vergangenen Jahren stark verändert. Im Familienrecht habe sich dies allerdings bisher kaum abgebildet, weil sich unter den Vorgängerregierungen der zurückliegenden 16 Jahre viele "einfach schwergetan haben, mit den gesellschaftspolitischen Realitäten", so Buschmann. Die wohl am stärksten beachtete Änderung auf dem Gebiet war die Öffnung der Ehe für homosexuelle Paare. Kurz vor Ende ihrer dritten Amtszeit 2017 hatte die damalige Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) die Abstimmung über die gleichgeschlechtliche Ehe freigegeben. Sie selbst stimmte dagegen, doch auch dank etlicher Stimmen aus den Reihen der Union wurde die Ehe für alle in Deutschland Gesetz.
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Die nun von SPD, Grünen und FDP geplante Reform werde grundlegende Veränderungen mit sich bringen, betonte Buschmann: "Wir denken und arbeiten hier tatsächlich in historischen Kategorien". Er sei insgesamt überzeugt, "dass wir bei unserer Reform auf eine sehr weitgehende gesellschaftliche Zustimmung aufbauen können". Ein wichtiger Baustein sei die geplante "Verantwortungsgemeinschaft". Dieses neue Rechtskonstrukt werde viel Flexibilität bei der individuellen Ausgestaltung bieten. "Wir werden bei der Verantwortungsgemeinschaft voraussichtlich ein mehrstufiges Modell anbieten, das zu den verschiedenen Lebenssituationen passt und eine unterschiedliche Intensität der Verantwortungsübernahme füreinander ermöglicht", kündigte der Minister an.
Es gehe etwa darum, Senioren-Wohngemeinschaften rechtlich abzusichern - etwa in der Frage, wer Auskünfte erhält, wenn ein Mitbewohner ins Krankenhaus kommt oder wer Mieter der Wohnung ist, wenn ein Mitglied der Gemeinschaft stirbt. Auch Alleinerziehende, die von Menschen außerhalb der eigenen Familie dauerhaft Unterstützung bei der Kinderbetreuung erhielten, könnten solche rechtssicheren Vereinbarungen nutzen. Schließlich erlebe man immer häufiger, dass sich Menschen jenseits der Familie zusammentun. Auch weil viele Menschen mobiler geworden seien, Eltern und ihre erwachsenen Kinder oft sehr weit entfernt voneinander wohnten.
"Verantwortungsgemeinschaft" nicht mit Ehe zu vergleichen
Mit einer Ehe, mit der man umfassend Verantwortung für einen anderen Menschen übernehme und Tisch und Bett miteinander teile, sei dies aber nicht zu vergleichen, sagte der Bundesjustizminister, der selbst verheiratet ist. Die Verantwortungsgemeinschaft sei ein Modell für Menschen, die "nicht das Bett miteinander teilen, sondern den Tisch - aber mit einem über eine reine Geschäftsbeziehung hinausgehenden tatsächlichen und persönlichen Näheverhältnis".
Wichtig sei, dass im Gesetz eine klare Abgrenzung der Verantwortungsgemeinschaft zur Gesellschaft bürgerlichen Rechts und zur Bedarfsgemeinschaft des Sozialrechts vorgenommen werde. Um unnötige Bürokratie zu vermeiden, halte er die Eintragung in ein Register beim Standesamt für den besten Weg, sagte Buschmann. Denkbar wäre aber auch eine Lösung vor dem Notar. Vorgesehen ist bei der geplanten Reform außerdem mehr Unterstützung für ungewollt kinderlose Paare. Für unverheiratete Paare soll es neue Möglichkeiten geben, Vereinbarungen über die Elternschaft zu treffen.