EU-Finanzminister beraten weiter zu Schuldenregeln
Autor: dpa
, Donnerstag, 07. Dezember 2023
Seit Monaten pocht Bundesfinanzminister Lindner auf strenge und einheitliche Schuldenregeln für alle. Nun wackelt sein eigener Haushalt zuhause. Hat das Folgen für die Verhandlungen in Brüssel?
Die Finanzminister der EU-Staaten unternehmen an diesem Donnerstag einen neuen Versuch, ihren Streit über eine Reform der europäischen Schuldenregeln beizulegen. Dazu kommen sie am Abend (19.00 Uhr) in Brüssel zu einem Arbeitsessen zusammen. Im Anschluss daran oder bei einem formellen Treffen am Freitag könnte dann im Idealfall eine politische Grundsatzeinigung verkündet werden.
Grundlage der Verhandlungen der EU-Staaten ist ein Vorschlag der Europäischen Kommission von April, der statt einheitlicher Vorgaben beim Schuldenabbau individuelle Wege für jedes Land vorsieht. So sollen große öffentliche Investitionen möglich sein, die für die Bekämpfung des Klimawandels, den Übergang zu nachhaltiger Energie und die Modernisierung der Volkswirtschaften erforderlich sind.
In den Hauptstädten sind die Vorschläge umstritten. So waren etwa die EU-Wirtschaftsschwergewichte Deutschland und Frankreich mit sehr unterschiedlichen Positionen in die Verhandlungen gegangen. Berlin pochte etwa auf einheitliche Vorgaben für den Schulden- und Defizitabbau für hoch verschuldete Länder - eine Forderung, die Paris lange Zeit ablehnte. Zuletzt kamen sich die Nachbarländer aber näher. Ob es nun auf eine Einigung aller Länder hinausläuft, ist nach Angaben von Diplomaten offen. So will etwa Italien keine strengen, einheitlichen Regeln akzeptieren.
Regeln derzeit außer Kraft
Die derzeitigen Regeln schreiben vor, Schulden bei maximal 60 Prozent der Wirtschaftsleistung zu begrenzen und Haushaltsdefizite unter drei Prozent des jeweiligen Bruttoinlandsprodukts zu halten. Wegen der Corona-Krise sowie der Folgen des russischen Angriffs auf die Ukraine sind sie vorübergehend bis 2024 ausgesetzt. Bislang müssen Staaten normalerweise fünf Prozent der Schulden, die über der 60-Prozent-Marke liegen, im Jahr zurückzahlen.
Eine Rückkehr zu den alten Regeln wird als Gefahr für die wirtschaftliche Erholung Europas gesehen. Zudem wurde das Regelwerk auch schon vor der Pandemie oft missachtet - auch von Deutschland.
Auswirkungen des deutschen Haushaltsstreits
Trotz der laufenden Haushaltsverhandlungen in Deutschland wird Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) zu dem Abendessen erwartet. Bis zuletzt war unklar, ob sich das Ringen um den deutschen Etat für 2024 auf die Verhandlungen in Brüssel auswirkt.
Der Direktor des Brüsseler Thinktanks Bruegel, Jeromin Zettelmeyer, sieht mit Blick auf die deutsche Verhandlungsposition zwei Optionen. Wenn Deutschland sich dazu entschließe, keine neuen Schulden aufzunehmen, könne Lindner auch in Brüssel hart bleiben. Zettelmeyer sagte, Lindner könne dann in etwa so argumentieren: «Wir haben uns sehr angestrengt, dann könnt ihr das ja auch.» Wenn die Bundesregierung allerdings in den nächsten Jahren zusätzliche Schulden aufnehme, könne Deutschland seiner Ansicht nach selbst an die Grenze der europäischen Vorschriften stoßen. «Insofern könnte es sein, dass sie dann auch in Brüssel mehr Flexibilität zustimmen, zum Beispiel im Hinblick auf schuldenfinanzierte Klimainvestitionen», sagte der Experte.