Die Abhängigkeit von Energieimporten aus Russland wurde für die EU zum Fallstrick. Als Lehre aus dem Ukraine-Krieg wappnet sie sich nun dafür, den Gashahn spätestens in zwei Jahren ganz zuzudrehen.
Die EU will bis spätestens Ende 2027 vollkommen unabhängig von russischem Erdgas sein. Das sieht eine Einigung zwischen Vertretern der Regierungen der Mitgliedstaaten und des Europaparlaments vor, die vor dem Hintergrund des Ukraine-Kriegs erzielt wurde.
Demnach soll die Einfuhr von russischem Gas über Pipelines auf Grundlage von langfristigen Verträgen bis spätestens 1. November 2027 komplett eingestellt werden. Ausnahmen sind für Binnenländer vorgesehen, die nach Abschluss kurzfristiger Verträge noch zwei Monate länger Erdgas aus Russland beziehen dürfen. Ein Verbot für den Import von russischem Flüssigerdgas (LNG) soll im Einklang mit dem 19. Sanktionspaket der EU schon ab Januar 2027 gelten.
Kreml: EU schadet sich selbst
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sprach am Morgen von einem historischen Tag. «Dies ist der Beginn einer neuen Ära, der Ära der vollständigen Energieunabhängigkeit Europas von Russland,» so die deutsche Politikerin. Die EU habe die schlimmste Energiekrise seit Jahrzehnten überwunden. Der Chef der Internationalen Energieagentur (IEA), Fatih Birol, sagte: «Europa zieht einen Schlussstrich unter eine Geschichte, die vor über einem halben Jahrhundert begann.»
Nach Auffassung des Kremls schadet sich die Europäische Union mit dem Verzicht auf russisches Gas nur selbst. Europa mache sich abhängig von teurer Energie aus anderen Quellen und beschädige die Konkurrenzfähigkeit seiner Wirtschaft, sagte Kremlsprecher Dimitri Peskow in Moskau. «Das wird nur den seit einigen Jahren bemerkbaren Prozess beschleunigen, dass die europäische Wirtschaft ihre führende Rolle verliert», zitierte ihn die staatliche Nachrichtenagentur Tass.
Noch kein Ausstiegsplan für Ölexporte
Für russische Ölexporte in die Slowakei und Ungarn soll die EU-Kommission laut der in Brüssel erzielten Einigung im nächsten Jahr einen Plan für den Ausstieg bis Ende 2027 vorlegen. Die beiden Staaten beziehen als einzige in der EU noch Rohöl aus Russland und sind auch in hohem Maße von russischen Erdgaslieferungen abhängig. Schon mehrfach haben Ungarn und die Slowakei weitreichende Pläne zur Unterstützung der Ukraine im Abwehrkampf gegen Russland blockiert.
Die neuen Regeln sollen bereits bestehende Sanktionen mit Einfuhrbeschränkungen ergänzen und sicherstellen, dass sich die EU-Staaten langfristig unabhängig von Energieimporten aus Russland und damit weniger erpressbar machen. Zudem soll es der vollständige Importstopp der Rohstoffgroßmacht Russland erschweren, ihren Angriffskrieg gegen die Ukraine weiter zu finanzieren.
Die Einigung soll auch rechtliche Sicherheit schaffen. Denn während die Sanktionen gegen Moskau alle sechs Monate verlängert werden müssen und Einstimmigkeit unter den Mitgliedstaaten erfordern, sollen die nun vorgesehenen rechtlichen Änderungen dauerhaft gelten.