Druckartikel: Es gibt zu wenig Arbeit auf dem Land

Es gibt zu wenig Arbeit auf dem Land


Autor: Matthias Litzlfelder

Erlangen, Freitag, 23. November 2012

In vielen Gemeinden der Metropolregion Nürnberg sind in den vergangenen 15 Jahren Arbeitsplätze weggefallen. Der Erlanger Geographie-Professor Werner Bätzing hat die Veränderungen erforscht - und sieben Problemgebiete identifiziert.
Werner Bätzing


Es gibt in Franken kaum einen Ort, der nicht ein Neubaugebiet oder zumindest einige Neubauten aufweisen könnte. Doch "die Optik täuscht", wie es Werner Bätzing ausdrückt. Große Wohnbaugebiete bieten noch keine Arbeitsplätze. "Im ländlichen Raum wird gewohnt, aber nicht gearbeitet."

Bätzing ist Professor für Kulturgeographie an der Universität Erlangen-Nürnberg. Im neuen Regional-Monitor der Metropolregion Nürnberg, einem Statistikwerk, das gestern der Öffentlichkeit vorgestellt wurde, ist der 63-Jährige mit einem Gastbeitrag zu finden: Entwicklung der Arbeitsplätze von 1995 bis 2010 auf Gemeindeebene.
Den zahlenmäßig stärksten Rückgang innerhalb dieses Zeitraums verzeichnen die Städte Nürnberg und Fürth. Berücksichtigt man noch einige Gemeinden in deren direktem Umkreis, so kommt man insgesamt auf mehr als 10.000 Beschäftigte, deren Stellen verloren gingen. Demgegenüber steht der Raum Erlangen mit dem angrenzenden Herzogenaurach beim Wachstum an erster Stelle.

Allein in der Stadt Erlangen sind demnach rund 13.000 Stellen in den vergangenen 15 Jahren neu hinzugekommen. "Erlangen hat keine alte Industrie und damit nicht das Problem der Deindustrialisierung wie Nürnberg", erklärt Bätzing diese Entwicklung. An der Rolle als Wirtschaftszentrum ändere das freilich nichts. Würde man nur die vergangenen fünf Jahre betrachten, gäbe es für die Stadt Nürnberg bereits ein positiveres Bild, meint Bätzing.

Problemgebiet Hesselberg

Schwierigkeiten mit wegbrechenden Industriebranchen hatte auch Oberfranken-Ost. "Normalerweise ist Industrialisierung eine Eigenschaft der Städte gewesen, aber dort gab es auf den Dörfern Industriegebiete", berichtet Bätzing. Dies habe im östlichen Oberfranken 130 Jahre lang für Wachstum gesorgt - bis in die 1960er Jahre. "Ein Vorsprung, der noch nicht ganz aufgezehrt ist." Betrachte man nur die letzten drei Jahrzehnte, so sei von den elf kreisfreien Städten und 22 Landkreisen der Metropolregion das Gebiet um Hof/Wunsiedel herum der größte Problembereich. Setze man den Vergleichszeitraum 100 Jahre früher an, so liege der Brennpunkt im südlichen West-Mittelfranken, um den Hesselberg herum. "Dort gibt es Gemeinden, die heute weniger Einwohner haben als im Jahr 1840", sagt Bätzing.

Der Geographie-Professor hat sechs weitere Gebiete als problematisch identifiziert, weil deren Gemeinden unabhängig von der Deindustrialisierung Arbeitsplätze verloren haben: den Steigerwald, die Fränkische Schweiz, den südöstlichen Teil der Haßberge, die Frankenhöhe, die Hersbrucker Alb und den Oberpfälzer Wald. Bätzings Karte zeigt: Die Entwicklung der Arbeitsplätze läuft entlang der Autobahnen.

Doch der Geographie-Experte, der seit 1995 die Wirtschaftsstruktur in der Region beobachtet, warnt davor, den Rest einfach aufzugeben: "Es ist wichtig, dass die ländlichen Räume nicht verschwinden, weil die Städte der Metropolregion ohne das Land nicht lebensfähig sind." Eine Region, die nur aus Kernen bestehe, verliere an Lebensqualität. "Die meisten Innenstädte sind heute austauschbar, da ist kaum noch Identität zu spüren", meint Bätzing. "Aber, wenn Sie rausfahren aufs Land..."

Bätzing rät, den ländlichen Raum als multifunktionalen Lebens- und Wirtschaftsraum zu erhalten. Das gehe am sinnvollsten, wenn regionale Qualitätsprodukte gestärkt würden. Die Dachmarke "Original Regional" der Metropolregion sei hierfür bereits ein hervorragender Ansatz. Darüber hinaus müsse darauf geachtet werden, die Wertschöpfungskette - von der Urproduktion bis hin zur Logistik und Vermarktung - vor Ort zu verlängern.