Druckartikel: Eine Brücke verändert Forchheim

Eine Brücke verändert Forchheim


Autor: PR-Redaktion

, Dienstag, 08. Dezember 2015

Gespräch mit Wirtschaftsförderer Viktor Naumann über "Breitweidig", "Pfaffensee" und "Pilatus Campus": Forchheim dehnt sich nach Süden und Westen aus.
Das Medical Valley hat schon an Höhe gewonnen.  Foto: Barbara Herbst


An die 20 Jahre kämpften Forchheims Politiker um eine Südumgehung, die die Verkehrsströme auf der B470 um den Stadtkern herumlenkt. Mit der Fertigstellung im Dezember 2011 verschob sich das bebaute Areal der Stadt deutlich nach Süden und Westen - jenseits des Main-Donau-Kanals. Neue Firmen ließen sich nieder, neue Einkaufsplätze entstanden.
2003 wurde das Projekt in den vordringlichen Bedarf eingestuft und etwa fünf Jahre später begannen die Bauarbeiten. Erdmassen wurden zwischen Hausen und dem Main-Donau-Kanal bewegt. Langsam wuchs eine rote Brücke über das Gewässer. Heute ist sie eine Art Mittelpunkt von neuen Gewerbe- und Einkaufsgebieten.
"Vorher endete die Bebauung an der Bahnlinie nach Höchstadt", weiß Viktor Naumann, Wirtschaftsförderer der Stadt.

Dann, als nur die Pläne der Südumgehung existierten, rückte der Siemens-Logistiker Hegele über diese imaginäre Grenze nach Süden vor.
Um die Flächen für die Anbindung der Südumgehung an die Autobahn A 73 zu gewinnen, wurde das Gelände weiträumig umgelegt. Und die Stadt, so Naumann, bemühte sich auf Betreiben von Oberbürgermeister Franz Stumpf, die Flächen aus Privatbesitz aufzukaufen, um einheitlich planen zu können. Auch wenn das heftige Diskussionen im Stadtrat auslöste.
Stumpf, so Naumann, hatte dabei immer im Auge, Gewerbe und Industrie anzusiedeln, die Arbeitsplätze bieten. "Er will, dass Forchheim wieder 18.000 Arbeitsplätze hat. Das war der Höchststand 1972, ehe die Papier- und Textilindustrie wegbrach", erläutert Naumann. 15.000 sind es heute und in den nächsten Jahren wechseln noch knapp 1000 Siemens-Mitarbeiter vom Standort Erlangen nach Forchheim.
Als erster ergriff Obi die Chance, sich zu vergrößern. Der Baumarkt verlegte seine Verkaufsräume "über die Straße". Das Dreieck zwischen Autobahn, Straße nach Baiersdorf und künftiger B 470 - Flurname "Breitweidig" - war von der Stadt schon in kleinere Gewerbeparzellen aufgeteilt, doch Stadtrat und Verwaltung reagierten positiv und der Baumarkt wanderte nach Süden. In sein altes Gebäude zog der Renovierungsdiscounter Tedox ein.
Als Ersatz schuf die Stadt das Gewerbegebiet "Pfaffensee", ein Viereck zwischen Kanal, B 470 und Straße nach Baiersdorf. Das Planverfahren war noch nicht ganz abgeschlossen, da waren die meisten Grundstücke schon verkauft. "Das waren teils Expansionen von in Forchheim ansässigen Firmen, teils Neuansiedlungen", sagt Naumann. Im Fokus stehen produzierende mittelständische Unternehmen. Eine Zimmerei, eine Fachfirma für Schalttechnik, die so eine eigene Entwicklungsabteilung aufbauen konnte und ein Aufrüster für Feuerwehrfahrzeuge. Diese Firma will bereits ihr Gebäude vergrößern, weiß Naumann. Zu den 20 Mitarbeitern sollen dann noch 15 hinzukommen.
Allerdings, so räumt Naumann ein, wurde der Vorwurf erhoben, "Pfaffensee" sei nur etwas für die Großen, denn die Grundstücke sind zwischen 5000 und 10.000 Quadratmeter groß. "Für Handwerker, die unter 1000 Quadratmeter brauchen, entsteht ein Gebiet im Stadtnorden hinter der Polizei", wehrt Naumann ab.
Die meisten Gebäude im "Pfaffensee" stehen schon, auf anderen Grundstücken stehen Baukräne und auf den letzten wird der Boden planiert. Das ging so schnell, weil sich die Firmen beim Kauf verpflichteten, innerhalb von maximal fünf Jahren zu bauen. Aber auch, weil die Stadt die Grundstücke zu einem Preis verkaufte, der aus dem Einkaufspreis und den Aufwendungen errechnet war.


Vollbeschäftigung

"Der Gewinn für die Stadt?", fragt sich der Wirtschaftsförderer selber. "Erstens die Arbeitsplätze: In den 90er Jahren lag die Arbeitslosenquote bei acht bis neun Prozent; heute haben wir mit 3,5 Prozent Vollbeschäftigung. Das wirkt sich beim Einkommensteueranteil der Stadt aus." Und die Firmen kommen wegen der niedrigen Anfangsinvestitionen bald in die Gewinnzone und zahlen dann Gewerbesteuer. "Zum zweiten Mal in Folge waren es über zehn Millionen Euro; ein Drittel stammt von den neuen Unternehmen."
"Wir sind gegenwärtig gut aufgestellt. Aber wir müssen den nächsten Schritt schaffen", sagt Naumann und nennt dazu das "Medical Valley". Der Gebäudekomplex entsteht am ehemaligen Festplatz, ein Leerraum, der bisher die älteren Einkaufs-Gewerbegebiete von den neuen Räumen im Stadtsüden trennte. Sie bietet Platz für Unternehmen, die innovativ neuste Forschungsergebnisse in die Praxis umsetzen. Nach dem Motto von Erich Reinhardt: "Interdisziplinäre Zusammenarbeit wird künftig über den wirtschaftlichen Erfolg entscheiden." Der Professor steht dem Träger, dem Medical-Valley-Verein, vor.
Die Südumgehung ist eine kurze Verbindung über den bislang trennenden Kanal. Vor allem die Bewohner des Stadtteils Burk nutzen die Straße, wenn sie Richtung Erlangen und Autobahn wollen; ebenso die Hausener und Heroldsbacher. Neue Verkehrsflüsse, neue Kunden. Ansiedlungsinteresse auch von Ladengeschäften war schnell da.
Die Straßenführung geht quer durch das große Areal, auf dem früher Sand gewonnen und Betondachziegel hergestellt wurden. Das Gelände liegt auf zwei Gemarkungen, auf Hausener und auf Burker, sprich Forchheimer Flur. "Das ist innovativ, ein Gewebegebiet auf zwei Gemarkungen; üblicherweise ist es umgekehrt und man hält Abstand zu den Gemeindegrenzen", erläutert Naumann das Besondere. "Pilatus Campus" nach einer Hausener Flurbezeichnung heißt inzwischen das gesamte Gelände.
Als erstes siedelte sich auch hier produzierendes Gewerbe an. Die Firma Schumacher Packaging stellt spezielle Kartonagen her. Sie steht noch auf Forchheimer Flur. Dann entdeckte eine Bäckerei mit Café den interessanten Standort unmittelbar am Kreisel, der die Verkehrsströme zur Brücke, nach Hausen und nach Burk regelt. "Das Brothaus" schlug ein. Auch als dahinter noch eine Industriebrache war, saßen die Leute gerne auf der Terrasse, nicht zuletzt Familien mit Kindern, die dort gesichert spielen können. Weitere Interessenten meldeten sich schnell. Soweit ihre Sortimente nicht mit denen der in Hausen existierenden Ladengeschäften kollidierten, gewährte die Gemeinde Baurechte.
Ein aus Kundensicht gelungener Mix entstand: von der Tankstelle über Drogerie und Apotheke bis zu einem Selbstbedienungsschalter der örtlichen Volksbank. "Diese Automaten werden am meisten frequentiert", sagt denn auch Vorstandsvorsitzender Gregor Scheller.


Keine Verödung der Innenstadt

Bedeutet "Pilatus Campus" auf der anderen Seite einen Beitrag zur Verödung der Innenstadt? Diese Frage muss sich Naumann stellen. Und er verneint sie. Zum einen habe das Einkaufsareal im Westen einen anderen Einzugsraum, vor allem die nahegelegenen kleinen Orte. Deren Bewohnern steht nach kurzem Weg ein größeres Sortiment zur Verfügung. Und Vorbeifahrende kaufen ein oder machen Pause. Das lässt sich unschwer an Autokennzeichen und Firmenaufschriften der geparkten Autos ablesen. Diese Sogwirkung der Südumgehung kann Naumann mit der Auskunft des Expansionsexperten des Schnellrestaurants KFC belegen. Der Geflügelspezialist lässt sich normalerweise nur an "Urlaubsautobahnen" nieder. 50.000 Fahrzeugbewegungen sind für ihn die kritische Masse. Aber die wird in Forchheim an der Kreuzung der Südumgehung mit der Autobahnauffahrt erreicht.
Pauline Lindner