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Ein grandioser "Brandner Kaspar" auf der Luisenburg


Autor: Rudolf Görtler

Wunsiedel, Montag, 20. Juli 2015

Michael Lerchenberg als Regisseur und einer der Hauptdarsteller macht auf der Luisenburg aus Kurt Wilhelms Komödie ein funkelndes Freilichttheater-Vergnügen.
Der Brandner (Alfred Schedl, li.) hat den Boandlkramer (Michael Lerchenberg, den "Grasober" in der Hand) überlistet. Fotos: Florian Miedl


Was macht eigentlich das Geheimnis dieses "Brandner Kaspar" aus? Recht eigentlich ist es doch "nur" Bauerntheater, historisch recht klar verortet in die Zeit um 1835, mit holzschnittartigen Figuren: der listige Bauer, der korrupte Bürgermeister, der schlaue Wilderer, die sittsame Jungfrau, der tölpelhafte Jäger und so fort.
Es muss etwas an diesem Stück sein, dem erfolgreichsten bayerischen überhaupt, das weit übers Komödienstadelhafte hinaus verweist. Ist es vielleicht das darin bei aller Bonhommie thematisierte Existentielle, ist Kurt Wilhelms 1975 entstandene Fassung des Kobell'schen Stoffs Volkstheater mit metaphysischem Tiefgang? Vielleicht von allem etwas, auch eine subkutan weiterwirkende Tradition des barocken Passionsspiels, eine Bayern- und Himmelssatire. Wobei die versöhnlich daherkommt, im Gewand eines epikureischen Katholizismus, nicht ätzend wie in Panizzas "Liebeskonzil".

Ideenreich inszeniert
Wenn dann noch Könner am Werk sind wie auf der Luisenburg, die aus dem nun allseits bekannten Stoff immer noch neue dramatische Funken herausschlagen, dann ist ein Freilichttheater-Vergnügen der Extraklasse garantiert. Was bei der Premiere am Wochenende zu beweisen war und bewiesen worden ist. Es ist ja dieser Michael Lerchenberg, Intendant der Festspiele, nicht nur ein organisatorischer Fuchs, sondern auch ein gewiefter Schauspieler und Regisseur mit jahrzehntelanger Volkstheater-Erfahrung. Als Boan(d)lkramer - beide Versionen sind richtig - übertrifft er sich selbst. Man muss gesehen haben, wie er über die riesige Bühne (karg, aber klug z. B. mit dem drehbaren Krattler-Häuschen von Peter Engel eingerichtet) irrlichtert, wie er dem Tod mit Fistelstimme clowneske Züge meißelt, wie er den zunehmend Besoffenen mimt und bei aller Komik ihm doch auch als tragische Figur zur Kenntlichkeit verhilft.
Wenn dann noch als Kontrapart das Bühnenviech Alfred Schedl als Brandner in all seiner urwüchsigen Präsenz poltert, wenn auch Nebenrollen wie der Simmerl (dialektsicher Benedikt Zimmermann) oder die Tante Theres (unverwüstlich Billie Zöckler) besetzt sind, dann kann zumal auf dieser Bühne eigentlich nichts mehr schiefgehen. Das Regieteam Lerchenberg/Christoph Zauner nutzt die einmalige Konstellation auch reichlich aus: Mal dräut der Boandlkramer von ganz oben, mal wechselt er so wieselflink die Position, dass sich der Zuschauer die Augen reibt: War da jetzt ein Doppelgänger unterwegs? Klar, dass die Jagdszenen am Tegernsee auf der Naturbühne besonders schön zu realisieren sind. Da könnten sich manche Dilettanten aus dem Frankenwald, die sich an Klassikern vergehen, vieles abschauen.
Es sind gerade die Kleinigkeiten, die diese Inszenierung so sehenswert machen. Da sitzt ein im Stück gar nicht vorkommender Teufel vor seiner Höhle mit dem Schild "Aufguss stündlich", da knallen reale Böllerschützen, von der Jagdhornbläsergruppe ganz zu schweigen. Und im Himmel bzw. davor wird's erst richtig lustig. Die über die Felsen drapierten langen Schleppen, die Engelchen in Pumphosen, der aberwitzige Erzengel Michael (Jürgen Fischer) mit dem Schwert, aus dem tatsächlich einmal die Flammen lodern, der gütige Portner (auch klasse Dieter Fischer), der etwas tuntige Nantwein (Johann Anzenberger) sorgen dafür, dass einem das ewige Leben à la bavaroise in der Tat ein erstrebenswertes scheint, barocker Katholizismus eben. Mag sein, dass Lerchenberg nach allerlei Friktionen einen Publikumsrenner brauchte. Wenn ein Renner so gut gemacht ist, lässt man ihn sich gern gefallen.