Ein Couch-Potato wird König
Autor: Monika Beer
Leipzig, Dienstag, 23. April 2013
"Die Feen", Wagners erste Oper, werden aktuell nur in Leipzig gezeigt und sind am 9. Juli konzertant in der Oberfrankenhalle zu erleben. Fürs Bayreuth-Gastspiel gibt es noch Karten - zu allerdings stolzen Preisen.
Wer Richard Wagners Opernerstling "Die Feen" noch nicht kennt, tut sich selbst im Wagnerjahr 2013 schwer, das Frühwerk des damals gerade 20-jährigen Chordirektors am Würzburger Theater auf dem Spielplan irgendeines Opernhauses zu finden. Aktuell gibt es nur in seiner Geburtsstadt Leipzig eine "Feen"-Neuinszenierung, die in Kooperation mit den Bayreuther Festspielen (bzw. der BF Medien GmbH) als konzertante Aufführung am 9. Juli in der Oberfrankenhalle in Bayreuth gastieren wird. Ob es sich lohnt?
Leipziger Lokalpatriotismus
Schon nach der Premiere gab es für diese Produktion in den überregionalen Zeitungen überwiegend Verrisse. Das hält allerdings die Leipziger, die gerade in vielfältigsten Aktivitäten dabei sind, Richard Wagner als einen der ihren wiederzuentdecken, nicht davon ab, ins Opernhaus zu gehen. Auch die besuchte vierte Vorstellung der "Feen" war ausverkauft - und das ist eindrucksvoll angesichts des Besucherschwunds der letzten Jahre.
Vielleicht ist es Lokalpatriotismus, der das Publikum dazu bewegt, bei diesem noch nicht genialen Frühwerk auszuharren, dem die Inszenierung nur insofern die Hand reicht, als sie weitaus unausgegorener und beliebiger ist als das, was Wagner in seiner Komposition und dem Textbuch nach Carlo Gozzis Märchen "La donna serpente" vorgelegt hat.
Wagner erlebte keine "Feen"-Aufführung
Der junge Wagner hatte "Die Feen" zwar Anfang 1834 sofort und vergeblich dem Opernhaus seiner Vaterstadt angeboten, wollte sie daraufhin als Kapellmeister in Magdeburg verwirklichen, legte sie aber dann, weil er längst Neues und Besseres komponiert hatte, auf Eis. Die Uraufführung fand erst 1888, fünf Jahre nach seinem Tod, statt und war erfolgreich: Die Münchner Produktion wurde bis 1895 mehr als fünfzig mal gespielt. Wagner selbst verwarf diese seine erste vollendete Oper durchaus nicht ganz, spielte hin und wieder das vierhändige Arrangement der Ouvertüre und lobte sich selbst, wie gut sie doch instrumentiert sei. Was durchaus zutrifft. Allerdings hört man noch zu viel von anderen Komponisten heraus: als da wären Beethoven, Lortzing, Marschner, Mendelssohn, Meyerbeer, Mozart und Weber.
Trotzdem sind "Die Feen" in erster Linie eine Fundgrube für Wagnerianer: Hier können sie - wie bei den weiteren Frühwerken - sehr gut hören, dass auch der "Meister", zwar nicht gerade klein und bescheiden, einmal ein Anfänger war. Wenn auch mit Ideen, die ihn nie mehr losgelassen haben. Die "Feen" dauern ungestrichen gute vier Stunden, in Leipzig hat Intendant und Generalmusikdirektor Ulf Schirmer einiges gekürzt - aus Sängerfreundlichkeit, denn was die Hauptfiguren zu singen haben, ist ganz bestimmt nichts für Neulinge im schon hier ziemlich schweren Wagnerfach.
Der König als Kleinbürger
Was die Leipziger Produktion durchaus spiegelt. Während die Sopranistin Christiane Libor, die hiesige Opernfreunde noch von ihren Auftritten am Nürnberger Opernhaus als Marschallin und Senta in guter Erinnerung haben, die Mammutpartie der Ada beeindruckend meistert, wirkt der Tenor Arnold Bezuyen als Arindal eher wie eine sängerdarstellerische Verlegenheitslösung. Das fällt umso mehr auf, als das Regiekonzept diese Königsfigur von vornherein derart verkleinbürgerlicht, dass sie nie Statur gewinnen kann.
Die Grundidee des frankokanadischen Regieteams Barbe & Doucet ist weder neu noch sinnstiftend. Ein Opernfreund zieht sich nach dem Abendessen zur "Feen"-Live-Übertragung aus Leipzig zurück, träumt sich so sehr in die männliche Hauptrolle hinein, dass das Geschehen der Handlung, das hier nicht in einem fernen Feenreich spielt, sondern in der Entstehungszeit der Oper um 1830 bzw. im Mittelalter, gleichsam in seinem Wohnzimmer abrollt. Das Problem dabei ist, dass man es diesem Couch-Potato mit seiner orangen Strickweste einfach nicht abnimmt, dass er die existenziellen Nöte und Prüfungen durchlebt, die Wagner seinem Helden aufgebürdet hat.
Mangelhafte Personenregie
Was weniger am Sänger liegt als an der ungenügenden Personenführung. Regisseur Renaud Doucet kümmert sich in erster Linie um wirkungsvolle Auftritte und Abgänge von Solisten und Choristen, aber eine Charakterisierung, ein Ernstnehmen der Figuren findet nicht statt. In der kitschigen Bilder- und Kostümwelt von André Barbe gibt es zwar über fünfzig technisch aufwändige Setwechsel, aber dazwischen breitet sich lähmender Stillstand aus. Nichts als bunt-bewegte Oberfläche und Klischees. Dazu werden Hände gerungen, Arme gebreitet, Knie gebeugt und an der Rampe Wurzeln geschlagen als gelte es, Otto Schenks Opernparodien noch zu übertreffen. Immerhin bleibt so dem Publikum alle Zeit der Welt, die Übertitel mitzulesen.
Das hat der selbst junge Richard Wagner nicht verdient. Auch musikalisch ist der Abend durchwachsen. Bei den Solisten fällt das doch sehr unterschiedliche Niveau auf, und dem eher pauschalen Dirigenten Ulf Schirmer gelingt es immer nur passagenweise, das Gewandhausorchester zu einer mehr als befriedigenden Leistung zu animieren. Gut möglich, dass diese "Feen" konzertant konzentrierter ausfallen. Ob die Oberfrankenhalle es allerdings akustisch mit dem Opernhaus Leipzig aufnehmen kann, darf bezweifelt werden.