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Düstere Prognose für Corona-Winter: "Wir werden 30 Millionen Infektionen haben"


Autor: Verena Schultheiß

Deutschland, Mittwoch, 17. November 2021

Deutschland ist nicht für die vierte Welle gerüstet. Die Krankenhäuser sind voll mit Corona-Patienten und täglich steigen die Zahlen. „Die derzeitige Dynamik wird maßgeblich von den Ungeimpften getrieben“, sagt der Immunologe Peter Kern in einem Interview mit ntv.de. Er prognostiziert, was uns im Winter erwarten wird.
Die Krankenhäuser sind bereits jetzt voll mit Corona-Patienten. Immunologe Peter Kern rechnet im Winter mit 30.000 Schwerstkranken im Monat.


In Deutschland gebe es derzeit etwa 20 Millionen Menschen, die weder durch eine Impfung noch durch eine überstandene Infektion immunisiert seien. „Für diese Gruppe gilt: Sie ist Futter für das Virus, sie wird sich in diesem Winter infizieren“, sagt Peter Kern. Der Immunologe und Internist  leitet die Klinik für Immunologie am Klinikum Fulda und lehrt an der Philipps Universität Marburg. Das Virus habe sich in der Fläche ausgebreitet und jeder entweder immun – entweder durch eine Impfung oder durch eine Infektion. „So verläuft eine Pandemie, dazwischen gibt es nichts. Der Weg über die Infektion ist allerdings lebensgefährlich. Das sollte nach 100.000 Todesfällen jeder verstanden haben“, betont der Experte. 

Die derzeitige Dynamik der Ausbreitung werde maßgeblich von den Ungeimpften getrieben. Denn bei ihnen ist es wesentlich wahrscheinlicher, sich zu infizieren. „Man muss das so verstehen: 80 Prozent Infektionsschutz durch Impfung bedeutet, als Geimpfter habe ich nur noch 20 Prozent des Infektionsrisikos, das ein Ungeschützter hat. Der steckt sich also mit einer fünffachen Wahrscheinlichkeit an. Das treibt diese Welle immens nach vorn, weil jeder Vierte bei uns ungeschützt ist“, sagt der Immunologe. 

Nicht alle Ungeimpften werden eine Erkrankung überleben 

Das werde sich im Laufe dieser Welle ändern. Denn die Zahl der Geschützten wachse und die der Ungeschützten nimmt somit im Verlauf des Winters ab. „Alle Nichtgeimpften infizieren sich.  Diejenigen, die überleben - das werden nicht alle sein - sind dann ebenfalls immunisiert, fallen also aus der Gruppe der Ungeschützten heraus“, sagt Kern. Nach seiner Einschätzung infizieren sich bis Ende des Winters die 20 Millionen Nichtgeimpften mit dem Virus. Von den derzeit 56 Millionen sind es nach seiner Schätzung im selben Zeitraum etwa 20 % also etwa 11 Millionen Menschen. Das wären insgesamt etwa 30 Millionen Infizierte, doppelt so viele wie im Sommer. 

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Heißt das, wir müssen im Winter auch mit doppelt so vielen Schwerstkranken rechnen? Die Wahrscheinlichkeit für einen schweren Verlauf hänge extrem vom Alter ab. „Bei einem Durchschnittsalter von 35 Jahren liegt dieser Wert bei 0,1 Prozent. Die ungeimpften Infizierten sind derzeit eher jung, 85 Prozent von ihnen sind unter 60. Das hilft also. Bei der momentanen Altersverteilung der ungeschützten Infizierten wären wir mit den aktuellen Inzidenzen in etwa bei 3.000 ungeimpften Intensivpatienten, die monatlich auf uns zukommen“, sagt der Immunologe. 

Die Hochrisikogruppe habe eine gute Impfquote. Das schütze das System bisher. Das ändere sich jedoch, sobald der Altersdurchschnitt der Infizierten steigt. Zum Beispiel durch Infektionswellen in Pflegeheimen. „Klettert das Durchschnittsalter auf 70, dann haben wir 30.000 Schwerstkranke pro Monat. Und 13 Prozent der über 60-Jährigen sind noch nicht geimpft. Die sind die Zeitbombe in diesem Geschehen. Zum anderen haben wir jetzt nur ausgerechnet, wie viele Ungeimpfte schwer erkranken“, erklärt Kern. 

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Auch Geimpfte werden sich in diesem Winter infizieren. Laut dem Immunologen werden unter diesen auch sehr viele ältere Menschen sein. Aus der Gruppe der Geimpften kommen nach seinen Einschätzungen noch mal 3.000 Intensivpatienten monatlich hinzu. „Beide Gruppen zusammen ergeben defensiv gerechnet also 6.000 Schwerstkranke pro Monat. Da wird es dann sehr kritisch für die Krankenhäuser. Gerade weil die jungen Ungeimpften ja auch länger liegen“, schließt der Wissenschaftler seine Prognose was die Bettenbelegung angeht ab. 

"Die Ungeimpften on top sind das Problem"

Eine Impfquote von 80 % reiche seine Meinung nach zum Schutz nicht aus. „Das lässt sich mit den mRNA-Impfstoffen einfach nicht machen. Mit diesen Impfungen lässt sich die Bedrohlichkeit des Virus aber auf ein händelbares Niveau herunterdrücken. Die 3.000 geimpften Schwerkranken pro Monat könnten wir versorgen. Die Ungeimpften on top sind das Problem“, sagt Kern. Das Virus werde bleiben. Jedoch könne ein guter Totimpfstoff die Rate der Schwerkranken von 3.000 auf 300 senken, da der Schutz dieses Impfstoffes breiter aufgestellt sei. 


„Alle Impfungen funktionieren ja so, dass sie das Original-Virus imitieren und damit das Immunsystem dazu bringen, Antikörper zu entwickeln. Der Totimpfstoff nutzt dafür das Originalmaterial, also ein abgetötetes, abgeschwächtes, aber komplettes Virus. Darum kommt die Immunreaktion des Körpers derjenigen sehr nah, die auch eine echte Infektion hervorrufen würde. Und genau diese "Original"-Reaktion wollen wir ja haben, denn sie schützt zehnmal besser als die Immunantwort auf das mRNA-Vakzin“, erklärt der Immunologe. 

Totimpfstoff und 2G kann vierte Welle nicht aufhalten

Die Immunantwort auf den Totimpfstoff ist somit passgenauer als die auf den mRNA-Impfstoff. Denn die mRNA-Vakzine imitieren nur einen Baustein und nicht den gesamten Erreger. „Die genetische Information dieses Bausteins kommt mit der Impfung in den Körper. Unser Körper bildet damit selbst eine Kopie dieses Bausteins, um dann das Immunsystem darauf reagieren zu lassen“, erläutert Kern. 

Manchen sei das Verfahren der mRNA-Impfung suspekt. Sich genetische Informationen anstelle toten Virusmaterial in den Körper zu spritzen. „Aber die mRNA wird vom Körper sehr schnell abgebaut und dann produziert er auch nicht mehr die Bausteinkopie. Die Sorge ist unbegründet“, betont der Experte. 

Die Zulassung eines Corona-Totimpfstoff, werde uns langfristig einen Schritt nach vorn bringen. Gegen die vierte Welle helfe er jedoch nicht mehr. „Und auf null wird die Rate der Schwerkranken nur mit einer Therapie zu bringen sein. Auch da sind die Forschungen weit gediehen, gute Medikamente sind in Sicht“, sagt Kern. Auch die derzeitigen Bestimmungen wie die AHA-Regeln oder 2G können dieses Infektionsgeschehen nicht aufhalten. „Käme ein bundesweiter Lockdown, dann würden diese Werte natürlich geringer ausfallen“, sagt der Experte. 

 

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