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Drosten rechnet mit Corona-Politik ab: Diese zwei Fehler haben Deutschlands Inzidenz nach oben schnellen lassen


Autor: Lea Mitulla

Berlin, Dienstag, 18. Januar 2022

Der Virologe Christian Drosten macht Hoffnung auf ein Leben nach der Pandemie - und kritisiert die deutsche Corona-Politik. Zwei gravierende Fehler hätten in der Vergangenheit die Inzidenzen stark steigen lassen. Wie sollte nun mit Omikron umgegangen werden?
Christian Drosten, Direktor des Instituts für Virologie an der Charité Berlin, erklärt, welche Fehler die Politik im Umgang mit Corona gemacht hat und wie Deutschland bald in die endemische Phase kommen könnte.


Ist Deutschland richtig mit der Corona-Pandemie umgegangen? Virologe Christian Drosten hat in der vergangenen Corona-Politik zwei entscheidende Fehler benannt. "Tatsächlich hat es Deutschland eigentlich meist gut gemacht", sagte der Wissenschaftler von der Berliner Charité im Gespräch mit dem "Tagesspiegel".

Wenige Länder hätten bei vergleichbarer Bevölkerungsgröße, demografischer und sozioökonomischer Struktur so wenige Tote. Als Gegenbeispiel nannte Drosten Schweden: "Dort gab es sehr viele Tote und immensen wirtschaftlichen Schaden." Das skandinavische Land hatte sich für einen "Sonderweg" mit sehr wenigen Anti-Corona-Maßnahmen entschieden - jedoch schon im Herbst 2020 eingestanden, dass dieser Ansatz gescheitert war. Auch Großbritannien sei deutlich schlechter mit der Pandemie umgegangen als Deutschland. "England hat den großen Fehler in der ersten Welle gemacht, nicht auf die Wissenschaft zu hören und den Lockdown zu spät zu machen", erklärte der Virologe.

Drosten über Deutschlands Corona-Politik: Was ist falsch gelaufen?

Dennoch lief auch in Deutschland nicht alles glatt. Zunächst kritisierte Drosten das "sehr halbherzige Vorgehen" der Regierung im November 2020. "Es wurde nicht konsequent gehandelt und über mehrere Wochen hingenommen, dass die Infektionsraten konstant hoch blieben. Man hat gewartet und gewartet über mehrere Ministerpräsidentenkonferenzen."

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Der zweite Fehler passierte ein Jahr später im Herbst 2021, als man verkannt haben, dass die Delta-Welle komme und man etwas dagegen tun müsse. "Es wurde kommuniziert, man müsste jetzt nur noch die Altersheime schützen und es würde keine Winterwelle kommen, weil man ja geimpft hat – während die Wissenschaft mit Nachdruck davor gewarnt hatte, wirklich lange genug vorher", so Drosten.

Für den weiteren Verlauf der Pandemie zeigte sich Drosten trotz vergangener Fehler optimistisch. Der Wissenschaftler sei sich "komplett sicher", dass wir irgendwann wieder so leben wie vor der Pandemie. Deutschland sei momentan auf dem Weg in die sogenannte endemische Phase. Im Gegensatz zu einer Pandemie treten die Infektionen dann nur noch lokal oder in bestimmten Gruppen der Bevölkerung auf. Auch die Grippe zählt zu den endemischen Viren.

Früher oder später muss sich jeder infizieren: So kommt Deutschland in die endemische Phase

"Die Bevölkerung baut Immunität auf und behält die auch. Und in diesem Prozess sind wir drin", sagt Drosten. Wegen des hohen Anteils an älteren Menschen in der Bevölkerung müsse Deutschland diesen Prozess jedoch über die Impfungen bewältigen. Andererseits ließe es sich aber auch nicht vermeiden, dass sich früher oder später alle mit Corona infizieren müssen. "Wir können nicht auf Dauer alle paar Monate über eine Booster-Impfung den Immunschutz der ganzen Bevölkerung erhalten. Das muss das Virus machen."

Drosten plädiert aber nicht dafür, das Virus "ungehemmt durch die Bevölkerung rauschen zu lassen". Das Virus müsse sich auf Basis eines in der breiten Bevölkerung verankerten Impfschutzes verbreiten. "Die abgeschwächte Infektion auf dem Boden der Impfung, das ist so etwas wie ein fahrender Zug, auf den man aufspringt. Irgendwann muss man da aber auch mal drauf springen, sonst kommt man nicht weiter", erklärt der Wissenschaftler. Die gute Nachricht sei, dass dieser Zug momentan angenehm langsam fahre, da Omikron einen milderen Verlauf habe.

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