Druckartikel: Dritte Slam-Symphonie in Bamberg: hormongestörte Teenager

Dritte Slam-Symphonie in Bamberg: hormongestörte Teenager


Autor: Rudolf Görtler

Bamberg, Samstag, 10. Dezember 2016

Zum dritten Mal ließen sich im Bamberger Joseph-Keilberth-Saal junge Wortkünstler von klassischer Musik inspirieren.
Vorjahressieger Dalibor Markovic musste sich diesmal mit dem zweiten Platz zufriedengeben. Links Moderator Christian Ritter. Fotos: Ronald Rinklef


Mit gravitätisch voranschreitender musikalischer Wucht fing sie an, und mit einem Moment der Besinnung hörte sie auf. Doch, in der dritten Folge ist das "Format" Slam-Symphonie oder noch weltläufiger Slam Symphony endgültig angekommen. Nicht nur in Bamberg, wo es wohl erfunden worden ist, wie der Moderator Christian Ritter launig vortrug, diese "Mixtur aus Sub- und Hochkultur". Ritter erledigte seinen Job mit geradezu unheimlicher Präzision, ist er doch selbst versierter Poetry-Slammer und Bühnenveteran. So musste er dem Publikum, meist junge Leute, denn die Slam-Symphonie war auch als Studentenkonzert deklariert, auch nur kurz die Regeln des Abends erläutern: Jeder der drei Wortkünstler durfte sich aus den drei Suiten von Sergej Prokofjews Ballettmusik zu Shakespeares "Romeo und Julia" ein Stück heraussuchen und darüber improvisieren.


Hauptzweck: Spaß

Das Orchester unter dem Dirigat des ebenfalls noch recht jungen Nikolaj Znaider spielt den Part an, und die Dichter legen los, so ca. fünf Minuten Zeit hat jeder für seine Poesie, die Prosa oder Lyrik sein darf. Gewonnen hat, wer den lautesten Beifall einheimst. Wobei nicht der Schallpegelmesser zum Einsatz kommt, es ja auch nicht um Preisgelder geht, die Löcher in Dichtertaschen reißen. Der Spaß steht im Vordergrund. Nachdem ein Sieger gekürt worden ist, spielt das Orchester die Symphonie am Stück. In diesem Fall konnten es nur Auszüge aus den drei Suiten sein, sonst wäre es eine musikalische Marathonveranstaltung geworden, reif fürs Guinness-Buch der Rekorde.
Also kam als Erster Vorjahressieger Dalibor Markovic auf die Bühne. Die Orgel im Hintergrund erstrahlte giftgrün, die Symphoniker spielten mit ungemein tänzerischer Fröhlichkeit den "Morgentanz" aus der Suite Nr. 2, der populärsten, und bewältigten bravourös die enormen Dynamiksprünge (eine ausführliche Kritik zur Romeo-und-Julia-Interpretation der Bamberger Symphoniker unter Nikolaj Znaider war in der Wochenendausgabe dieser Zeitung zu lesen). Markovic begann verhalten, erzählte kursorisch die Handlung des Shakespeare'schen Dramas nach und setzte raffiniert seine poetologischen Mittel ein: Kreuz- und umarmender Reim, Paarreim, Binnen- und Haufenreim als Reim-Inhalt-Konkordanz. Gut, dass er sich selbst interpretierte, denn dem Wortstakkato, das bis zur Onomatopoesie eskalierte, zu einer Art Scat-Gesang in Prosa, war kaum zu folgen - Markovic beherrscht die Kunst, seine Stimme perkussiv einzusetzen (Beatboxing). Großartig!
Dagegen aufzukommen hatte es Pauline Füg schwer. Es war vielleicht ein bisschen unfair, die Würzburgerin gegen zwei ausgebuffte Slam-Vollprofis antreten zu lassen. Ihr Text zu "Tybalts Tod" war sicher nicht schlecht, aber doch zu sehr studentischen Slam-Konventionen verhaftet. Tybalt als Allegorie für Wut, konzentrier dich! dem WG-Slang entlehnt.
Nicht "Morgentanz", sondern "Tanz" hatte sich Bas Böttcher erkoren. Der Berliner zählt zu den deutschen Pionieren des Genres, das sich etwa ab Mitte der 1990er Jahre von den USA aus im Lande ausbreitete. Sein Vortrag ironisierte die Geschichte der "zwei hormongestörten Teens, die für die Liebe kämpfen". Rhythmisiert, mit Binnenreimen und Alliterationen gesättigt waren seine Verse: "Mit metaphernüberladenen Balladen baller ich dich dicht!"


Fast gleichauf

Schnell ging der Kampf der Slammer(innen) über die Bühne, bis der Moderator Publikum und Musiker zum Schlussapplaus anstachelte. Der im Falle der Dame eher mau ausfiel, bei ihren beiden Konkurrenten gefühlt gleich stark aufbrandete. Sei es wie es sei, der Moderator entschied, dass Böttcher der Sieger sei, und überreichte ihm als Trophäe einen Symphoniker-Bildband. Pause.
Und danach legte das Orchester los. Znaider ist kein Showman auf dem Pult, eher ein Mann der kargen Gesten. Es war ein denkwürdiges Konzert und, wie der Moderator offenbarte, seit 2016 und laut Unesco "immaterielles deutsches Kulturgut" (das Poetry-Slammen). Neben solchen Höhepunkten deutschen Kulturschaffens wie Skatspielen und Spitzenklöppeln im Oberpfälzer Wald. Wenn das kein Adelstitel ist.