Drei Ladies sangen den Blues
Autor: Rudolf Görtler
, Sonntag, 12. August 2012
"Three Ladies" huldigten am Samstag mit gewaltigen Stimmen den Klassikern des frühen Jazz und Blues. Es war ein Höhepunkt des Jazz- und Bluesfestivals in Bamberg.
Das hatte der Maxplatz auch noch nicht erlebt: eine Atmosphäre wie in einem Baptisten-Gottesdienst, gewaltige Damen in jeder Beziehung, dazu kostenlose und unterhaltsame Lektionen in Musikgeschichte und hoch virtuose Musiker: wohl der Höhepunkt des diesjährigen Jazz- und Bluesfestivals.
Verantwortlich dafür waren am Samstagabend drei Ladies. Harriet Lewis, Joanne Bell und Joan Faulkner sind nicht irgendwelche aus der Disco gecastete Plastiksternchen, sondern richtige Damen, Künstlerinnen von Format, die in vielen Genres zu Hause sind wie die studierte Opernsängerin Bell, naturgemäß jedoch dem Blues verpflichtet sind, dem Jazz, Gospel, "schwarzer" Musik im besten, ursprünglichsten Sinn. Waren es doch die Frauen, die den Blues von den Baumwollfeldern in die Clubs brachten, nicht selten in ein anrüchiges Milieu, die sozusagen an der Wiege des Jazz standen. Bessie Smith und Billie Holiday kennt man bei uns vielleicht noch, aber Ida Cox und Dinah Washington?
All jener Heroinen des frühen Jazz und Blues gedachte das stimmgewaltige Trio vor einigen tausend Zuschauern. Prächtig waren ihre Roben, voluminös die Stimmen. Eine Madonna mit ihrem dünnen Gekrähe müsste sich beschämt verstecken angesichts solcher Röhren, die, wie sollte es anders sein, einst im Kirchenchor gestählt worden sind.
Und so begannen sie denn mit Ray Charles' "Let The Good Times Roll" und hörten beim Klassiker Fats Waller lange nicht auf. Dazu sind sie begnadete Entertainerinnen, denen man auch an sich abgeschmackte Mätzchen wie Leute aus dem Publikum auf die Bühne holen nicht übel nehmen kann.
Früher Blues und Jazz war immer auch verbandelt mit dem Vaudeville, dem Tingeltangel, und so gehört mehr als ein Hauch Laszivität mit eindeutigen Hüftbewegungen zur Show, auch dies sympathisch und überhaupt nicht peinlich.
Ob ein leidenschaftlicher, mit Inbrunst intonierter Love Song von Dinah Washington oder der gemütlich groovende "Sugar Foot Stomp" King Olivers oder waschechter Gospel: Die Ladies intonierten mal solo, mal unisono, mal im Wechselgesang traumhaft sicher.
Sie hatten ja auch mit ausgebufften Musikern eine kongeniale Begleitung. Die Herren, auch sie bereits älteren Semesters, sind Vollprofis. Bandleader Gustav Csik holte mit seinen musikalischen Arabesken alles aus dem starren Blues-Schema heraus, umtänzelte mal die Gesänge, mal hämmerte er aufs Piano, als stünde es in einer billigen Kneipe in New Orleans. Rolf-Dieter Schnapka am E-Bass und der Professor Keith Copeland am Schlagzeug sind solche Musiker, für die die Vokabel "erfahren" weit untertrieben scheint.
Höhepunkt war Ida Cox' "Wild Women Don't Have The Blues". Den Blues hatte man nach diesem Konzert gewiss nicht. Den hatte man eher vorher, als man dümmliche Animationen eines Ansagers über sich ergehen lassen musste.
Die Ladies hatten Temperament, aber auch Stil und Format. Mögen sie noch viele Jahre auf der Bühne stehen. Eine von ihnen ist bereits 73 Jahre alt. Welche, wird nicht verraten.