Drama "Wie im Himmel": viele Lieder, viele Klischees
Autor: Rudolf Görtler
Bamberg, Montag, 04. Mai 2015
"Wie im Himmel" am E.T.A-Hoffmann-Theater nach Kay Pollaks Film ist ein Großprojekt, an dem zwei Bamberger Chöre mitwirken. Gute Gefühle können jedoch nicht die an Klischees reiche Handlung kompensieren.
Im Filmgenre gibt es die Rubrizierung "Feel Good Movie". Eine Internet-Nutzerin definiert das so: "Also ein Film, der gar nicht besonders spannend (und schon gar nicht traurig) sein soll, der ein Happy End hat und einen mit einem schönen, warmen Gefühl im Bauch zurücklässt."
Ein schönes, warmes Gefühl im Bauch hatten sicher auch die jubelnden Zuschauer nach der Premiere von "Wie im Himmel" am Donnerstag im E.T.A.-Hoffmann-Theater, einer von Regisseurin Heidemarie Gohde für die Bühne bearbeiteten Fassung des gleichnamigen Films, den der schwedische Regisseur Kay Pollak 2005 drehte.
Gefühle sind das eine, doch dem analytischen Blick offenbaren sich die Schwächen des Stücks über den Star-Dirigenten Daniel Daréus (Florian Walter), der nach einem Herzinfarkt ins heimatliche Dorf im ländlichen Schweden flüchtet, dort die Leitung des Kirchenchors übernimmt, Freud und Leid der Dorfgemeinschaft kennen lernt sowie seine große Liebe und die Fähigkeit zum Lieben überhaupt.
Bis zu den Hüften in Klischees watet dieses Drama. Schon der Beginn, als Schneeflocken vom Theaterhimmel taumeln - Jens Hübner schuf ein beeindruckendes, aufwendiges Bühnenbild, einen Kircheninnenraum mit bemalten Fenstern im Hintergrund und fahrbarer Kanzel -, erinnert die Szenerie an die "Christmas Carols" von Charles Dickens, der auch dazu neigte, soziale Gegensätze mit Sentimentalität zuzukleistern.
Antiquierte Kritik
Wir sehen den Rohling Conny (Florian S. Federl) mit einem erlegten Hasen. Wer so etwas tut, der schlägt auch seine Frau, und richtig: Gabriella (Aline Joers) hat zu leiden, doch ihr Chor wird sie schließlich befreien. Der Pfarrer Stig (sehr schön Volker J. Ringe) ist ein düster verklemmter Gesell, der heimlich Pornos konsumiert und seine Gattin Inger (Ulrike Schlegel) im Ehebett darben lässt. Die Kritik christlicher Doppel- bzw. Sexualmoral kommt lächerlich antiquiert daher in Zeiten mordlüsterner Islamisten, du guter Gott, der dann auch in Gestalt seines Sohnes vom Kruzifix purzelt. Dem Pfarrer assistiert die alte Jungfer (wo gibt's die noch?) Siv (Nadine Panjas) beim Intrigieren, ein Pärchen findet sich, und der ausgebrannte Dirigent wird von Lena (Elena Weber, die sich, völlig überflüssig, auch einmal ausziehen muss) erlöst.
Dies alles hätte man lakonisch wie einen Kaurismäki-Film inszenieren können oder grotesken Humor herausarbeiten. Dies tut die Regie nicht, bleibt brav und durchschaubar wie das ganze Treiben im Stück, so konventionell wie die mindestens halbesoterischen Lebensberatungsbücher mit schlichten Weisheiten, die Pollak verfasst hat.
Die Schauspieler mühen sich redlich mit durchaus lobenswerten Ergebnissen. Ein Meisterstück liefert jedoch Matthias Tuzar in der Rolle des behinderten Tore. Wie er spastische Verrenkungen imitiert, unbeholfen artikuliert: grandios. Dem Ensemble assistieren Mitglieder der Bamberger Stephanskantorei und des Musica-viva-Chors. Ihre Leistung und die der musikalischen Leiterin Ingrid Kasper ist unbedingt anerkennenswert. Es ist schon beeindruckend, wenn am Schluss mächtiger Gesang von allen Seiten in den Theatersaal dringt. Aber die schlichten Verse von "Gabriellas Lied", einer zentralen Szene, werden dadurch nicht gehaltvoller. Auch wenn Singen angeblich die Ausschüttung des Wohlfühlhormons Oxytocin stimuliert, wie das Programmheft unterstellt. Feel Good Drama - na ja. Stimulation des Verstands ist schon auch viel wert.