Domglocken als Konzert-Instrumente
Autor: Rudolf Görtler
, Donnerstag, 20. Sept. 2012
Die ehemalige Künstlerhaus-Stipendiatin hat zum Domjubiläum eine Kammersinfonie komponiert, die am Sonntag uraufgeführt wird. Die Domglocken sind in das Werk einbezogen ebenso wie die Domschola unter Werner Pees.
Das Künstlerhaus Villa Concordia ist ein Segen für die Domstadt. Nicht nur, dass Künstler internationalen Formats sich hier aufhalten und den Einheimischen Proben ihres Könnens geben. Die Domstadt bezaubert auch viele Stipendiaten, die gerne zu Stippvisiten wiederkehren.
Oder gleich ganz hier bleiben. Ein solcher Fall ist Viera Janárcekova. Die Komponistin slowakischer Herkunft lebte im oberhessischen Knüll-Mittelgebirge mit ihrem Lebensgefährten Ulrich Holbein (auch er einst Villa-Stipendiat, auch ihn sieht man jetzt häufig in der Stadt). Bis sie ein knappes Jahr im Künstlerhaus lebte und arbeitete. Und Geschmack an Bamberg und vornehmlich dessen musikalischen Möglichkeiten fand.
Soll heißen, auf einen Pool höchstqualifizierter Musiker zugreifen zu können, auf ein Netzwerk musikaffiner Menschen, nicht zuletzt die Vorteile einer verkehrsgünstigen Zentrallage zu genießen.
Mittlerweile hat Janárcekova eine Wohnung mitten im Herzen der Altstadt gefunden, gleich neben dem Dom - vielleicht auch eine Inspirationsquelle für ihr jüngstes Großwerk: eine "Kammersinfonie" zum Domjubiläum, die am Sonntag uraufgeführt wird, naturgemäß im Kaiserdom. Es ist ein ambitioniertes Opus, wie es von der künstlerisch kompromisslosen Neutönerin nicht anders zu erwarten war. Denn die so umgängliche und fröhliche Tonsetzerin hat gegen alle äußeren vor allem ökonomischen Widrigkeiten ihren Kurs "prozessualen" Komponierens beibehalten.
Was nicht heißen soll, dass "De aeternitatis concentu" (auf Deutsch etwa "Von der Ewigkeit des Gesangs") ein atonales Werk wäre (Janárcekova sagt: "mikrotonal"). Die etwa 30-minütige Komposition ist dreigeteilt in Analogie zu einem Triptychon. 16 Bamberger Symphoniker - nur Streicher - bestreiten Teil eins und drei, im Zentrum klingt die Soloviola von Wen Xiao Zheng. Es ist zu erwarten, dass die Musik meditativ sein wird, dem Ort der Aufführung angemessen. Dazu trägt auch die Umrahmung der Uraufführung bei: Die Schola Bamberg wird unter Leitung von Domkapellmeister Werner Pees Gregorianik singen und Werke von Giovanni Pierluigi da Palestrina, dem Meister der Kirchenmusik aus dem 16. Jahrhundert.
Der Clou des vom Bayerischen Rundfunk aufgezeichneten Konzerts: Janárcekova hat in den letzten Teil die Domglocken als gigantische Instrumente eingearbeitet; eine Choreografie, sagt sie, die eine "geistige Botschaft" transportiere, durch gregorianische Choräle und Palestrina mit historischer Dimension.
Was nicht heißen soll, dass die Komponistin in schwerblütigem Mystizismus schwelgt. Sie komponiert auch, mit ihren zeitgenössischen Mitteln, Tangos, ist von Astor Piazzolla begeistert. Zurzeit arbeitet sie an einem Konzert für Akkordeon, Klarinette und Streichorchester, das (Akkordeon!) mehr als tangoid zu werden verspricht. Und mikrotonal?
Ort und Zeit: Das Sonderkonzert findet statt am Sonntag, 23. September, um 16 Uhr im Bamberger Kaiserdom. Karten an der Einlasskasse.
Programm: Viera Janárcekova: De aeternitatis concentu für Streichorchester und Domglocken - Gregorianischer Choral - Werke von G. da Palestrina