Um schnellstmöglich Vergleiche mit Betroffenen schließen zu können, will Volkswagen spätestens bis Anfang April eine Einigungsplattform eingerichtet haben, auf der man sich ein Angebot des Unternehmens einholen kann. Wann ein etwaiger Betrag dann bezahlt werde würde, ist derzeit nicht bekannt.
Was bedeutet ein Vergleich für die Betroffenen?
Christian Solmecke mahnt zur Vorsicht. Ist erst mal ein Vergleich mit dem Automobilhersteller geschlossen, besteht keinerlei Anspruch mehr auf eine potenziell höhere Schadensersatzforderung, die aus der weiter laufenden Musterfeststellungsklage hervorgehen könnte. Das heißt: Nimmt man einmal beispielsweise 1500 Euro als Schadensersatz von VW an, besteht trotz eines etwaigen Urteils das den betroffenen 8000 Euro zuspricht keinerlei Anspruch auf die Differenz. Denn: Obwohl vielleicht einige das Vergleichsangebot der Unternehmens annehmen werden, läuft die MWF weiter.
Und auch Personen die einem Vergleich zugestimmt haben, bleiben weiter im Register eingetragen.
Einen Vergleich empfiehlt der Rechtsexperte deshalb nur denjenigen, die eine Einzelklage scheuen. Außerdem stellt der Vergleich schnelles Geld in Aussicht, so Solmecke. Und ein Urteil, sollte eines gefällt werden, sei erst in rund drei Jahren zu erwarten. "Betroffene Autos verlieren bis dahin weiter an Wert", klagt Solmecke.
Auf der anderen Seite gibt er zu bedenken, dass für die Personen, die das MFK abwarten, mittels einer möglichen Wiederaufnahme der Vergleichsverhandlungen mehr Geld zu erwarten ist.
Diese Möglichkeiten haben Betroffene: Der Rechtsexperte klärt auf
Der Rechtsexperte erklärt weiter, welche Möglichkeiten Betroffene, die nicht an der MFK teilnehmen, beispielsweise Käufer von Modellen die den Motor "EA 288" oder ein anderen Fahrzeugen, haben. Er ist sich nämlich sicher: Es bestehen diverse Ansprüche gegenüber Händlern und dem Volkswagen Konzern sowie den Gesellschaften der Volkswagen AG. Außerdem auch gegenüber der Audi AG, Seat Deutschland GmbH, SKODA AUTO Deutschland GmbH, Porsche AG sowie gegen die Daimler AG und die Opel Automobile GmbH.
Möglichkeit 1: Betroffene können gegen Händler unter bestimmten Voraussetzungen Gewährleistungsansprüche geltend machen. Das bedeutet: Einem Kunden, der bei VW direkt oder bei einem VW-Händler einen Wagen mit einem vom Abgasskandal betroffenen Dieselmotor gekauft hat, stehen Gewährleistungsansprüche zu.
Der Grund für diese Gewährleistungsansprüche ist eine drohende Untersagung und Stilllegung des Fahrzeugs durch die Behörden. Betroffene Kunden haben also - innerhalb der gesetzlichen Verjährungsfrist von zwei Jahren ab Übergabe des Autos - die üblichen Gewährleistungsansprüche. Allerdings hat erst einmal die Nacherfüllung Vorrang vor weiteren Rechtsansprüchen. Der Händler verfügt über das Recht, den Mangel selbst zu beheben. Doch ist bereits gerichtlich entschieden, dass das Softwareupdate den Mangel nicht behebt. Sollte diese Nacherfüllung jedoch innerhalb der gesetzten Frist nicht vorgenommen werden, kann der Käufer vom Vertrag zurücktreten.
Auch eine Lieferung eines gleichwertigen und mangelfreien Fahrzeugs oder aber auch eine angemessene Minderung des Kaufpreises sowie der Rücktritt vom Kaufvertrag sind möglich. Ein Rücktritt hätte zur Folge, dass Kunden ihr Fahrzeug zurückgeben und ihr Geld zurückerhalten. Dies kann auch durch eine Anfechtung wegen arglistiger Täuschung erreicht werden. Problematisch an den Gewährleistungsansprüchen gegenüber dem Händler ist, dass diese nach zwei Jahren verjähren.
Möglichkeit 2: Gegen den Hersteller (z.B. VW) bestehen ebenfalls Ansprüche. Wenn Kunden einen manipulierten Diesel besitzen, haben diese Anspruch auf Schadensersatz gegen den Hersteller. Gegen den VW-Konzern läuft daher seit dem 30.09.2019 die MFK vor dem OLG Braunschweig. Für Geschädigte, die sich nicht an der Musterfeststellungsklage beteiligt haben, bleibt nun die Möglichkeit einer individuellen Klage. Hier stehen die Chancen derzeit weiter hoch.
Auch wenn VW behauptet, eine Individualklage sei zum jetzigen Zeitpunkt wegen der Verjährung nicht mehr möglich, sieht das ein Großteil der Juristen in Deutschland anders. Das LG Trier hatte im September 2019 entschieden, dass Ansprüche von Betroffenen im Dieselskandal nicht zum 31.12.2019 verjähren, sondern - aufgrund der ungeklärten Rechtslage - erst nach einem höchstrichterlichen Urteil des BGH. Die aktuell noch höchst umstrittene und gänzlich ungeklärte Rechtslage im VW-Abgasskandal könne daher dazu führen, dass der Verjährungsbeginn hinausgeschoben werde. Diese Auffassung vertrete ich auch.
Damit hätten betroffene Kunden auch in den kommenden Jahren noch die Möglichkeit, ihre Ansprüche gegenüber dem VW-Konzern geltend zu machen. Betroffene sollten daher in jedem Falle ihre Ansprüche durch einen spezialisierten Rechtsanwalt prüfen lassen.
Möglichkeit 3: Für Betroffene des Abgasskandals, bietet sich darüber hinaus eine weitere Option, der sog. Auto-Widerrufsjoker. Dieser kommt dann in Betracht, wenn das Auto finanziert oder geleast worden ist. In zahlreichen Kreditverträgen zwischen Verbrauchern und Banken wurden die Verbraucher nicht ordnungsgemäß über ihre Rechte informiert. Deswegen läuft die gesetzliche Widerrufsfrist nie ab und ist somit auch Jahre nach dem Abschluss des Kreditvertrags möglich - eben ein ewiges Widerrufsrecht.
Der Widerruf des eigenen Autokredites kann sehr lukrativ sein, denn infolge eines wirksam erklärten Widerrufs geben Kunden ihr gebrauchtes Auto zurück an die finanzierende Bank. Im Gegenzug erhalten Kunden von der Bank die geleisteten Raten und ihre Anzahlung zurück. Doch der Widerruf des Autokredits ist nicht nur bei solchen Fahrzeugen möglich, die vom Abgasskandal betroffen sind. Tatsächlich kann jeder, der sein Fahrzeug über eine Bank finanziert, in den Genuss des ewigen Widerrufsrechts kommen.
Ein Vorteil des Widerrufs ist, dass Kunden ihrer Bank keine Nutzungsentschädigung für bereits gefahrene Kilometer zu zahlen haben. Es ist jedoch dringend geboten, seinen individuellen Fall prüfen zu lassen, bevor man vorschnell den Vertrag widerruft."