Die Nord-Stream-Pipelines – Geopolitik am Grund der Ostsee
Autor: Iris Leithold, Jacqueline Melcher, Christiane Oelrich und Christoph Sator, dpa
, Donnerstag, 21. August 2025
Ein mutmaßlicher Beteiligter an den Explosionen der Nord-Stream-Gasleitungen ist festgenommen worden. Was macht die Pipelines so besonders – und so umstritten?
Nach den Explosionen an den Nord-Stream-Erdgasleitungen im September 2022 in der Ostsee hat die Bundesanwaltschaft in Italien einen tatverdächtigen Ukrainer festnehmen lassen. Die Karlsruher Behörde wirft Serhij K. unter anderem das gemeinschaftliche Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion und verfassungsfeindliche Sabotage vor. Die stark beschädigten Pipelines Nord Stream 1 und Nord Stream 2 sind geopolitisch hochumstritten.
Warum wurden die Nord-Stream-Leitungen gebaut?
Um die deutsche Wirtschaft mit günstigem Erdgas zu versorgen, wurde zunächst die 1.224 Kilometer lange Nord-Stream-1-Pipeline mit zwei parallel verlaufenden Leitungssträngen von Russland durch die Ostsee nach Deutschland gebaut. Ihre Kapazität: 55 Milliarden Kubikmeter Gas pro Jahr.
Die Stränge wurden 2011/2012 in Betrieb genommen und erreichen das deutsche Festland in Lubmin bei Greifswald in Mecklenburg-Vorpommern. Von dort starten Leitungen nach Süden und Westen, die eigens für die Weiterleitung des russischen Gases errichtet wurden.
Ab 2018 wurde eine zweite, parallel verlaufende Leitung gebaut – Nord Stream 2. Sie wurde Ende 2021 fertiggestellt, erhielt wegen des russischen Einmarschs in die Ukraine im Februar 2022 jedoch keine Betriebserlaubnis durch die deutschen Behörden.
Welche Rolle spielte Mecklenburg-Vorpommern?
Länder wie Polen, die Ukraine und die USA hatten vor dem Bau von Nord Stream 2 gewarnt, weil sich Deutschland zu sehr von russischen Energielieferungen abhängig mache. Die USA drohten am Bau beteiligten Unternehmen sogar mit Sanktionen.
Zum Schutz davor gründete das Land Mecklenburg-Vorpommern Anfang 2021 die «Stiftung für Klima- und Umweltschutz MV». Unter ihrem Mantel wurde Nord Stream 2 fertiggestellt. Ein Untersuchungsausschuss im Schweriner Landtag ist mit dem Fall befasst. Als Zeuge ist unter anderem Ex-Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) geladen. Er war nach seinem Ausscheiden aus der Politik lange Jahre für russische Energiekonzerne aktiv, unter anderem als Präsident des Verwaltungsrats der Nord Stream 2 AG.
Was passierte bei dem Sabotageakt im September 2022?
Am 26. September 2022 ereigneten sich an den beiden Gasleitungen Nord Stream 1 und Nord Stream 2 nahe der dänischen Insel Bornholm mehrere Explosionen. Drei der vier Stränge der beiden Leitungen wurden dabei schwer beschädigt. Die mutmaßlichen Täter sollen über Mittelsmänner eine Segeljacht in Rostock gemietet und damit den Sprengstoff zu den Gasleitungen gebracht haben. Ermittler fanden an der «Andromeda» später Spuren von Unterwassersprengstoff.