Die Krux flüchtiger Auftritte
Autor: Martin Köhl
Bayreuth, Donnerstag, 15. August 2019
Elena Pankratova erweist sich in "Lohengrin" als echte Bayreuth-Heroine. Annette Dasch meistert derweil die undankbare Aufgabe, für die ausgefallene Anna Netrekbo einspringen zu müssen.
Die Stars der internationalen Gesangsszene haben es gut: weder wirkliche noch behauptete Indispositionen müssen sie beweisen, eine Absage genügt. Wer wird schon von Anna Netrebko ein ärztliches Attest verlangen?
Aber urteilen wir nicht leichtfertig wie all Jene, die schon vorab zu wissen glaubten, dass die Diva aller Diven sowieso nicht kommen werde, weil sie ja das deutsche Repertoire nicht mag. Auch für Anna Netrebko wäre ein Auftritt bei den Bayreuther Festspielen ein Markstein in ihrer Karriere gewesen, denn der heiligste aller Musentempel steht immer noch auf dem Grünen Hügel. Allerdings scheint die gleichzeitige Annullierung von Salzburger Auftritten die Version von der "Erschöpfung" der viel beschäftigten Sopranistin zu stützen.
Das tiefer liegende Problem liegt eher in den Bedingungen, die manche der Weltstars den Veranstaltern oktroyieren.
Exkursionen per Helikopter
Elina Garanca beispielsweise ist praktisch nicht zu haben, wenn ihr Mann nicht gleichzeitig dirigieren kann, und von Netrebko sind auch keine Absagen bekannt, wenn Yusif Eyvazov mit auf der Bühne stehen darf.
Punktuelle Auftritte - wie die beiden für den Bayreuther "Lohengrin" konzedierten - vertragen sich nicht mit Wagners Festspielidee, ebenso wenig wie die Exkursionen per Helikopter des ebenso umtriebigen wie flüchtigen Dirigierzampanos Valery Gergiev.
Wie sensibel das Bayreuther Publikum auf diese Gemenge-lage reagiert, zeigte sich am vergangenen Dienstag, als Gergiev wegen eines Todesfalles das "Tannhäuser"-Dirigat absagte und der einspringende Christian Thielemann enthusiastisch gefeiert wurde. Das Publikum liegt ihm wegen seiner konsequenten Haltung zu Füßen; man könnte auch ganz altmodisch sagen: wegen seiner Treue. Ähnlich demonstrativ wurde tags drauf die anstelle Anna Netrebkos als Elsa im "Lohengrin" auftretende Annette Dasch begrüßt, nämlich mit erwartungsfrohem Jubel. Wie berechtigt der war, lässt sich kaum beurteilen, denn der unfaire, weil spekulative Vergleich muss hier unterbleiben.
Wohl aber darf behauptet werden, dass an die imposante Bühnenpräsenz der russischen Sängerin, die ja auch eine fabelhafte Schauspielerin ist, kaum heranzureichen ist.