Inwieweit das Beispiel aus Stendal Nachahmer finden wird, ist offen. Durch eine Anordnung des jeweiligen Bundeslandes oder die Mitgliedschaft in einem Verkehrsverbund dürften viele Kommunen und Verkehrsunternehmen bereits an das Deutschlandticket gebunden sein.
Forderungen nach rechtlicher Absicherung
Das gilt aber offenbar nicht für alle Regionen. "Die Länder müssen die Landkreise und Städte zur Anwendung des Deutschlandtickets verpflichten und damit auch die Finanzierungsverantwortung übernehmen", forderte etwa der Deutsche Landkreistag am Dienstag. Ähnlich äußerte sich der VDV: Um das Ticket zu einem dauerhaften Erfolg zu machen, bedürfe es "auch der rechtlichen Absicherung des Tickets", sagte Verbandsgeschäftsführer Alexander Möller. Das sei "gemeinsame Aufgabe von Bund, Ländern und Kommunen".
Update vom 26.10.2023, 14.26 Uhr: Bundesverkehrsminister Wissing äußert sich bei Befragung zum Deutschlandticket
Die Zukunft des Deutschlandtickets ist nach wie vor ungewiss. Daran hat auch das Treffen der Verkehrsminister der Länder mit dem Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) am 11. und 12. Oktober nichts geändert. Stattdessen warnte Wissing vor Spekulationen: "Selbstverständlich gehe ich davon aus, dass das Ticket weiterhin Bestand haben wird, denn es ist sehr erfolgreich", sagte der FDP-Politiker in einer Regierungsbefragung im Bundestag und gab an, sich nicht am Zerreden des Tickets beteiligen zu wollen. Die Länder verlangen vom Bund weitergehende Zusagen, sich an der Finanzierung möglicher Mehrkosten des Deutschlandtickets im kommenden Jahr zu beteiligen.
Bund und Länder streiten seit Monaten über die Weiterfinanzierung des Tickets. Die Länder verlangen bislang erfolglos Zusagen vom Bund, sich an der Finanzierung möglicher Mehrkosten des Deutschlandtickets im kommenden Jahr zu beteiligen. Genaue Berechnungen der Mehrkosten gebe es aber vorerst nicht, so Wissing. Für das aktuelle Jahr sehe es aus, als würde das von Bund und Ländern vorgesehene Geld reichen oder sogar ein Überschuss da sein. Zahlen für 2024 lägen noch nicht vor, da das Jahr noch nicht begonnen habe. Eine Beurteilung des Finanzierungsbedarfs sei erst nach dem vollen nächsten Jahr möglich. Nächste Gespräche über die weitere Finanzierung soll es deshalb erst Ende 2024 geben. So sei es von Bund und Ländern vorgesehen worden. Bis dahin laufe alles wie vereinbart.
Münchener Verkehrsverbund (MVV) äußert Zweifel an Fortführung des Deutschlandtickets
Der Münchener Verkehrsverbund (MVV) äußert Zweifel daran, dass Kunden das Ticket auch nach 2024 nutzen können. "Die Finanzierung des Deutschlandtickets ist leider nur für dieses Jahr gesichert", sagte MVV-Geschäftsführer Bernd Rosenbusch dem Merkur. "Aus Sicht der Verkehrsunternehmen werden die zugesagten drei Milliarden Euro nicht reichen für das Jahr 2024. Der Bund hat im Gegensatz zu den Ländern aber nicht zugesagt, dass er etwaige Mehrkosten tragen wird." Ohne diese Finanzierungszusage werde es das Deutschlandticket im MVV nicht mehr geben. Das gelte auch für alle anderen Verbünde in Deutschland.
"Die Verluste aus dem Ticket liegen im MVV Bereich bei einem mittleren dreistelligen Millionenbetrag. Die Mehrerlöse aber bei einem niedrigen zweistelligen Millionenbetrag. Die Differenz kann keine Kommune tragen", erklärte Rosenbusch. Preisanpassung würden da nicht helfen. Die Rechnung gehe so nicht auf und "am Ende muss das jemand bezahlen".
Jetzt sollen der Kanzler und die Regierungschefs den Streit bei ihrer kommenden Konferenz am 6. November lösen. Auch Rosenbusch hofft, dass dann eine Einigung erzielt wird. Er gehe davon aus, dass der Bund zustimmt und das Ticket auch im kommenden Jahr bestehen wird. Unterstützung bekommt er vom bayerischen Verkehrsminister Christian Bernreiter (CSU): "Der Bund hat den Ländern das Deutschlandticket ohne vorherige Absprache aufs Auge gedrückt. Dass der Bund jetzt wieder bis zur letzten Minute wartet, um sich zur hälftigen Finanzierung für 2024 zu bekennen, verunsichert Unternehmen, Verbünde und Fahrgäste."
Deutschlandticket in Papierform: Wird die Frist verlängert?
Ein Freund des Deutschlandlandtickets sei er aber nicht. "Aus meiner Sicht wären Investitionen in das Angebot und die Infrastruktur wichtiger gewesen, als eine Ticketvergünstigung“, sagte Bernreiter. Trotzdem sei es bedauerlich, dass eine Fortführung des Tickets nun auf den letzten Metern für 2024 scheitern könnte. Deshalb fordert er, baldmöglichst eine Einigung zu erzielen. Denn "ohne den Bund können die Länder die Kosten für das Deutschlandticket nicht stemmen".
Neben der Finanzierung wird im Zusammenhang mit dem Deutschlandticket auch über die Frist des Verkaufs in Papierform debattiert. Diese sollte ursprünglich bis zum 31. Dezember laufen und könnte nun verlängert werden. Wie die Rheinische Post berichtet, drängen einzelne Länder auf eine Verlängerung. Denn es gibt nur langsame Fortschritte bei der Digitalisierung einiger der über 60 Verkehrsverbünde in Deutschland und der ihnen angeschlossenen Betriebe. Durch das Ticket auf Papier mit QR-Code werde "auch eine breitere Teilhabe innerhalb der Bevölkerung sichergestellt", heißt es dazu aus Nordrhein-Westfalen, dem Vorsitzland der Verkehrsministerkonferenz.
Ursprungsmeldung vom 13.10.2023, 12.17 Uhr: Deutschlandticket vor dem Aus? Bund will Mehrkosten nicht finanzieren - jetzt sollen andere das Problem lösen
Die Länder sind weiterhin bereit, die erwarteten zusätzlichen Mehrkosten für das Deutschlandticket im kommenden Jahr zu finanzieren - der Bund bislang nicht. Die Verkehrsministerkonferenz (VMK) in Köln ging am Donnerstag (12. Oktober 2023) ohne eine Einigung in der Sache zu Ende. VMK-Vorsitzender und NRW-Verkehrsminister Oliver Krischer (Grüne) sagte nach den Beratungen, es habe von Seiten des Bundes keine unmittelbare Finanzzusage gegeben. Die Frage soll nun auf Ebene der Ministerpräsidentenkonferenz, also zwischen Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und den Regierungschefs der Länder geklärt werden.
Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP), der an den Beratungen der Verkehrsministerinnen und -minister am Mittwoch und Donnerstag in Köln teilgenommen hatte, betonte am Rande eines Besuchs in einem ICE-Werk in Köln im Anschluss an die Konferenz: "Wir verhalten uns hier vollkommen vertragstreu." Was bisher seitens seines Ministeriums in Haushaltsfragen und in finanziellen Fragen gemacht worden sei, entspreche eins zu eins den Vereinbarungen, die mit den Ländern getroffen worden seien.
Erwartete Mehrkosten für Deutschlandticket: Länder sind zur Finanzierung bereit - Bund nicht
Wissing sprach von einer Aufregung, die in keiner Sache weiterführe: "Wir haben ein Ticket, wir haben eine Vereinbarung, die Vereinbarung wird umgesetzt. Und wenn Dinge sich aus der Sicht der Länder ändern, dann müssen sie das klären." Bund und Länder schießen 2023 und 2024 jeweils 1,5 Milliarden Euro für die Kosten des Deutschlandtickets zu. Umstritten sind aber zusätzliche Gelder, die wegen gestiegener Kosten für Personal und Energie nötig werden.
Krischer äußerte die Erwartung, dass der Kanzler und die Regierungschefs den Streit bei ihrer kommenden Konferenz am 6. November lösen: "Ich denke, damit ist auch klar, wo jetzt die Verantwortung für die Zukunft liegt", sagte er. "Wir als Länder haben unsere Hausaufgaben gemacht. Jetzt ist der Bund am Zug, die Entscheidungen zu treffen." Er betonte, dass es aus Sicht der Länder kurzfristig zu einer Entscheidung kommen müsse. Sonst hätten die Verkehrsunternehmen keine Planungssicherheit, was Probleme für die Zukunft des Tickets brächte.
Kritik am Handeln der Bundesregierung gab es aus der Bundestagsopposition. Unionsverkehrsexperte Ulrich Lange (CSU) warf Wissing vor, sich aus der Verantwortung zu stehlen: "Erst hat er die Umsetzung den Ländern und Kommunen aufgedrückt und jetzt lässt er sie auch bei der Finanzierung noch mehr im Regen stehen." Die Umweltorganisation Greenpeace sprach von einer gestrigen Verkehrspolitik: "Für Verkehrsminister Wissing scheint es selbstverständlich, viele Milliarden in noch mehr Autobahnen zu stecken, aber er ist nicht bereit, den beispiellosen Erfolg des Deutschlandtickets für ein Bruchteil solcher Summen fortzuschreiben."
Verkehrsministerkonferenz auch zu bundesweitem Semesterticket ergebnislos
Auch bei einem möglichen bundesweiten Semesterticket für Studierende im Rahmen des Deutschlandtickets kam die Verkehrsministerkonferenz mit dem Bund am Donnerstag zu keinem Ergebnis. Brandenburgs Verkehrsminister Guido Beermann (CDU) betonte, das Semesterticket sei ein Wunsch aller 16 Länder. Vorher brauche es aber eine langfristige Perspektive des Deutschlandtickets.
Fortschritte sahen die Länder bei den Handlungsspielräumen für Kommunen bei der Ausweisung von Tempo-30-Zonen. Hier habe das Bundesverkehrsministerium angekündigt, bei der Änderung der Straßenverkehrsordnung mehr Entscheidungsspielräume zu schaffen, unter anderem an Spielplätzen, hochfrequentierten Schulwegen oder für kurze Streckenabschnitte. Die Länder begrüßten diesen Schritt, forderten aber noch mehr Flexibilität. "Die Kommunen wollen selbst entscheiden, wie sie ihren Verkehr vor Ort organisieren und lenken", sagte Krischer.
Gleichzeitig betonte der bayerische Verkehrsminister Bernreiter, dass die Möglichkeit eines Endes des 49-Euro-Tickets keine "leere Drohung" sei. "Die Kommunen sagen, wenn es die Zusage nicht gibt, dann lassen wir das auslaufen - weil sie das Risiko nicht eingehen." Für das laufende Jahr reiche das Geld, aber für 2024 und die folgenden nicht. Ein Ende des Tickets wäre "jammerschade", sagte Bernreiter. Es wäre fatal, wenn all die Arbeit, die man in das Ticket gesteckt habe "für die Katz" gewesen wäre.