Der weibliche Blick verstellt die Sicht
Autor: Monika Beer
Nürnberg, Dienstag, 26. März 2019
Tina Lanik versucht am Staatstheater Nürnberg bei Giacomo Puccinis "Madama Butterfly" allem Japan-Kitsch auszuweichen. Was sie zeigt, ist leider nur gut gemeint und unterm Strich ärgerlicher Regietheaterquatsch.
Es ist ein guter Ansatz, wenn man Giacomo Puccinis tragedia giapponese "Madama Butterfly" ohne Kirschblüten, Papierschirmchen und trippelnde Geishas auf die Bühne stellt. Leider hatte die Regisseurin Tina Lanik zusätzlich die Idee, die im Selbstmord der Titelfigur endende Oper mit feministischem Aplomb zu den Themen Sexismus, Kolonialismus und Rassismus aufzubereiten - und das ist gründlich schiefgegangen.
Natürlich ist es für europäische Bildungsbürger inzwischen schwer, sich in Situationen hineinzudenken, wie sie sich in der 1904 in Mailand uraufgeführten, der Exotismus-Mode frönenden und seither unter Kitsch-Verdacht stehenden Oper abspielen.
Eine blutjunge Frau
Die Titelheldin ist eine Fünfzehnjährige (!), die sich als Geisha verdingen muss und von einem amerikanischen Marineoffizier, der mit der blutjungen Frau eine "Ehe auf Zeit" eingeht, sitzengelassen wird - mitsamt dem noch ungeborenen Kind.
Damit auch das Publikum kapieren soll, dass die hier eher resolute Cio-Cio-San (intensiv: Barno Ismatullaeva) sich bewusst auf den Clash of Cultures einlässt, präsentiert die Inszenierung im ersten Akt einen flegelhaft agierenden und derart aufgeblähten Pinkerton (durchschlagkräftig: Tadeusz Szlenkier), dass selbst hartgesottene Opernfans sich erstens verwundert fragen, was sich das Besetzungsbüro dabei gedacht hat und zweitens, wo denn hier die Liebe hinfällt.
Im zweiten Akt wird zumindest klar, dass Tania Laniks Butterfly für Äußerliches tatsächlich blind sein muss, denn sie ignoriert die Werbung des Fürsten Yamadori (Denis Milo), der hier aussieht und auftritt, wie man sich einen Operntenor eben im Idealfall wünscht.
Wenn Pinkerton dann im eleganten Zweireiher zurückkommt, hat er offenbar den schwabbelnden Rettungsring abgelegt. Will die Regie damit sagen, dass es drei Jahre braucht, um erfolgreich dreißig Kilo abzunehmen?
Was gibt es noch an zündenden Regie-Einfällen? Ach ja, die Geishas in Handschellen zeigen jeweils einen entblößten Kunstbusen, Zuhälter Goro (prägnant: Hans Kittelmann) hält sich als Schmusetier eine Echse an die Brust, der beleibte Konsul (sonor: Sangmin Lee) trägt saloppe Freizeitkleidung und die glatzköpfige Suzuki (empathisch: Almerija Delic) ist unglücklich in ihre Herrin verliebt, was diese - blind auch für die Gefühle der anderen - gar nicht realisiert.