«Der Russe hört mit» - Was zum Luftwaffen-Leak bekannt ist
Autor: Bettina Grachtrup und Ulf Mauder, dpa
, Samstag, 02. März 2024
Freimütig beraten Luftwaffen-Offiziere über Marschflugkörper für Kiew. In Russland wird ein Mitschnitt veröffentlicht - ein brisanter Vorgang. Was bezweckt Moskau damit? Und was wurde besprochen?
Das war nicht für die Öffentlichkeit bestimmt: Intern und recht offen haben deutsche Luftwaffen-Offiziere in einer Schalte über theoretische Möglichkeiten des Einsatzes deutscher Taurus-Marschflugkörper durch die Ukraine diskutiert. Nun wird in Russland ein Mitschnitt des Gesprächs veröffentlicht.
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) spricht von einer «sehr ernsten Angelegenheit». Auf eine Frage der Deutschen Presse-Agentur nach möglichen außenpolitischen Schäden sagte er: «Deshalb wird das jetzt sehr sorgfältig, sehr intensiv und sehr zügig aufgeklärt. Das ist auch notwendig.»
Ist der Mitschnitt authentisch?
Das Verteidigungsministerium geht davon aus, dass ein internes Gespräch von Luftwaffen-Offizieren abgehört worden ist. «Es ist nach unserer Einschätzung ein Gespräch im Bereich der Luftwaffe abgehört worden. Ob in der aufgezeichneten oder verschriftlichten Variante, die in den sozialen Medien kursieren, Veränderungen vorgenommen wurden, können wir derzeit nicht gesichert sagen», sagte eine Ministeriumssprecherin der dpa. Nach dpa-Informationen ist das veröffentlichte Gespräch authentisch und hat stattgefunden.
Worum geht es in dem Gespräch inhaltlich?
Zu Beginn ist auf dem Audio eine lockere Plauderei zu hören. Einer der Beteiligten erklärt, gerade in Singapur zu sein. Er schwärmt von der Sicht vom Hotelzimmer aus. «Ich schicke dir vielleicht später mal ein Foto. Das ist schon mega.» Aber es wird schnell ernster: Es handelt sich um ein Vorbereitungsgespräch der Offiziere für ein Briefing für Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD), wohl im Februar. Thema ist, wie die Ukraine deutsche Taurus-Marschflugkörper im Krieg gegen Russland einsetzen könnte - falls Kanzler Scholz sein Nein zu einer Lieferung der Waffen überdenken sollte.
Welche Fragen werden in dem Gespräch konkret diskutiert?
Eine Frage ist, ob Taurus-Marschflugkörper technisch theoretisch in der Lage wären, die von Russland gebaute Brücke zur völkerrechtswidrig annektierten ukrainischen Halbinsel Krim zu zerstören. Ein weiterer Punkt ist, ob die Ukraine den Beschuss ohne Bundeswehrbeteiligung etwa bei der Zielprogrammierung bewerkstelligen könnte. Es wird diskutiert, wie lange die Ausbildung von Ukrainern an Taurus dauern könnte, wie Deutschland dabei vorgehen könnte und wie die Ausbildung verkürzbar wäre. In dem Mitschnitt ist allerdings auch zu hören, dass es auf politischer Ebene kein grünes Licht für die Lieferung der Marschflugkörper gibt.
Worum geht es grundsätzlich in der Debatte über Taurus?
Warum ist die Veröffentlichung des Gesprächs brisant?
Es geht zum Teil um militärisch sensible Informationen. Einer der Beteiligten - wohl Luftwaffen-Inspekteur Ingo Gerhartz - erklärt, er könne sich vorstellen, dass in einer ersten Tranche 50 und dann noch einmal 50 Flugkörper geliefert würden - was aber den Krieg nicht ändern würde. Allerdings: Es handelt sich letztlich nur um Gedankenspiele, um der Politik Möglichkeiten aufzuzeigen.
Zudem ist die Rede davon, dass die Briten im Zusammenhang mit dem Einsatz ihrer an die Ukraine gelieferten Storm-Shadow-Marschflugkörper «ein paar Leute vor Ort» hätten. Worte von Kanzler Scholz vor ein paar Tagen waren in eine ähnliche Richtung interpretiert worden. «Was an Zielsteuerung und an Begleitung der Zielsteuerung vonseiten der Briten und Franzosen gemacht wird, kann in Deutschland nicht gemacht werden», sagte Scholz. Die Briten erklärten daraufhin, der Einsatz von Storm Shadow durch die Ukraine und der Prozess der Zielauswahl seien Sache der Ukrainer.