Der Karl-May-Verlag wird 100 Jahre alt
Autor: Rudolf Görtler
Bamberg, Donnerstag, 27. Juni 2013
Der Bamberger Karl-May-Verlag feiert einen runden Geburtstag und blickt auf eine wechselvolle Geschichte zurück. Er wand sich durch die ideologischen Verwerfungen des 20. Jahrhunderts und erlebte einen enormen ökonomischen Erfolg. Heute hat er mit einer veränderten Mediennutzung und Buchhandels-Landschaft zu kämpfen.
"Sie sollten mein Verleger sein!" Das ist ein Satz, der zu schön ist, um nicht wahr zu sein. Ob ihn Karl May 1911 in Stuttgart tatsächlich gesprochen hat, wusste nur Euchar Albrecht Schmid. Jedenfalls führte die angebliche Äußerung des Reiseschriftstellers zur Gründung des Karl-May-Verlags am 1. Juli 1913.
Mittlerweile wird der Verlag in dritter Familien-Generation geführt. Bernhard Schmid (51) ist seit 2007 alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer in einer schwierig gewordenen Medien- und Buchhandelslandschaft. Der Sohn des unlängst verstorbenen Lothar Schmid wirkt im Haus seit 20 Jahren. Gegründet wurde der Verlag außer von Euchar Schmid von Friedrich Ernst Fehsenfeld, dem Verleger der 33 Bände mit klassischen Reiseerzählungen, und Mays Witwe Klara.
Die Nazizeit überstand der Verlag relativ unbeschadet; immerhin war Hitler leidenschaftlicher May-Leser (wofür der, mit humanistischer Grundhaltung, nichts konnte). Nach dem Krieg hatte der in Radebeul bei Dresden ansässige Verlag mit ideologischen Anfeindungen in der nunmehrigen SBZ/DDR zu kämpfen und konnte seinen Autor nicht drucken - ein ausdrückliches Verbot gab es nie. Die Euchar-Söhne Joachim, Lothar und Roland siedelten nach Bamberg über, wo ihr Vater aufgewachsen war, gründeten Dependancen und vergaben Lizenzen. Endgültig wechselte der Verlagssitz 1960. Es ist von einer Art Ablösungssumme von 50.000 Mark an die Stiftung, letztlich das DDR-Büro für Urheberrechte, die Rede, die heute ihren Zweck geändert hat und vornehmlich das Karl-May-Museum in Radebeul unterhält. Bis 1994 war das im Bamberger Haingebiet untergebracht.
Winnetou als Filmheld
Im Westen gedieh der Verlag, geführt von den drei Brüdern, vor allem auch befeuert durch die Verfilmungen der 60er Jahre, prächtig. Jedoch flachte diese Begeisterung in den folgenden Jahrzehnten ab. Familienstreitigkeiten folgten auf dem Fuß. Zu dieser Zeit attackierten auch Arno Schmidt und der ehemalige Lektor des Karl-May-Verlags Hans Wollschläger das Unternehmen heftig wegen dessen Bearbeitungen des Urtextes. Aufregungen, die Geschichte sind, eine historisch-kritische Ausgabe steht im Verlagskatalog. Nach dem Tod Roland Schmids wollte sein Bruder Joachim das Unternehmen, das wegen seiner Fixierung auf einen einzigen Autor in der deutschen Verlagslandschaft einzigartig ist, verkaufen. Lothar Schmid sträubte sich und zahlte 1992 zwei Drittel der Anteile aus.
Inzwischen beläuft sich die Gesamtauflage der "Gesammelten Werke" nach Angaben des Verlags auf rund 100 Millionen Exemplare. May sei somit der meistgelesene Autor deutscher Sprache. Das Haus bedient mit edlen Ausgaben, Sonder- und Großbänden einen schmalen Markt von Sammlern und Literaturwissenschaftlern, ist jedoch auf Jugendliche als Kernleserschaft angewiesen. Die nach wie vor für den sächsischen Fantasten zu begeistern sei, insistiert Bernhard Schmid. E-Book- und Hörbuch-Ausgaben sollen den Anschluss an die moderne Zeit vermitteln.
Vom ersten Band des "Winnetou" verkaufe er 3000 Exemplare im Jahr, sagt der Verleger, insgesamt von den auf 94 Bände gewachsenen "Gesammelten Werken" in charakteristischer grüner Ausstattung pro Jahr "eine höhere fünfstellige Zahl". Veränderte Mediennutzung, große Versender, der Gebrauchtbuchmarkt, vor allem auch die Zurückhaltung der Sortimenter machen ihm Sorgen. Mit speziell für Kinder und Jugendliche eingerichteten Ausgaben versucht er sein Publikum (wieder) zu gewinnen. Ein Schreibwettbewerb mit vielen jugendlichen Teilnehmern ermutigt ihn. Naturgemäß hofft er auf eine neue Verfilmung. Der Erfolg dieses seltsamen deutschen Autors auch in Asien lässt jedenfalls hoffen: Winnetou wird niemals sterben. Howgh!
Zum Geburtstag des Verlags erscheint am 6. Juli eine im Buchhandel vertriebene Festschrift, ISBN 978-3-7802-0276-5