Der Kanzler und Wadephuls Kompass
Autor: Jörg Blank und Michael Fischer, dpa
, Mittwoch, 05. November 2025
Der Kanzler hat eine Außenpolitik aus einem Guss versprochen. Erneut ist nun aber das Tandem mit seinem Chefdiplomaten aus dem Tritt geraten. Wie gefährlich wird die Syrien-Debatte für Wadephul?
Friedrich Merz ist voll des Lobes, als er Anfang September als erster Kanzler seit 25 Jahren die jährliche Botschafterkonferenz im Auswärtigen Amt eröffnet. Er danke dem «lieben Jo» dafür, «bei hohem Wellengang dieses Amt übernommen zu haben», ruft der CDU-Chef nach den ersten 125 Tagen im Amt seinem Außenminister Johann Wadephul zu. «Du hast in kürzester Zeit unter Beweis gestellt, dass Du mit Deinem starken Kompass der Richtige bist, dieses Haus in diesen Zeiten zu führen.»
Mittlerweile könnten bei Merz Zweifel aufkommen, wie verlässlich der Kompass seines Außenministers etwa für die Stimmung in der eigenen Partei tatsächlich funktioniert. Jüngstes Beispiel: die von Wadephul bei einem Syrien-Besuch vergangene Woche angestoßene Syrien-Debatte. Unter dem Eindruck der schwer zerstörten Vorstadt von Damaskus hatte der Minister angezweifelt, dass angesichts der massiven Zerstörungen kurzfristig eine große Zahl syrischer Flüchtlinge freiwillig dorthin zurückkehren werde. «Hier können wirklich kaum Menschen richtig würdig leben», sagte er.
In der Unionsfraktion verstanden einige das als Distanzierung vom Kurs, syrische Straftäter so schnell wie möglich abzuschieben und eine freiwillige Rückkehr syrischer Flüchtlinge in ihr Heimatland zu fördern. Auch am Adjektiv «würdig» hätten sich Abgeordnete gestoßen, heißt es hinter vorgehaltener Hand. Bei der Diskussion über Rückkehr und Abschiebung von Flüchtlingen gehe es schließlich um die nüchterne Umsetzung geltenden Rechts - und nicht um eine gefühlig-moralische Ebene.
Lieber keine weiteren Wortmeldungen
Als Wadephul am Dienstag klarstellt, er und das Auswärtige Amt stünden aktiv und konstruktiv hinter dem Ziel, Straftäter und Gefährder nach Syrien zurückzuführen, gibt es nach Angaben von Teilnehmern in der Unionsfraktion nur wenig Applaus. Immerhin habe es auch keine weiteren Wortmeldungen gegeben, heißt es hinterher. Die Abgeordneten seien angesichts der ohnehin schwierigen Lage der Koalition und der hohen AfD-Umfragewerte wohl darauf bedacht gewesen, nicht weiter ein Bild der Zerstrittenheit abzugeben.
Am Abend sorgt dann doch noch eine weitere Äußerung von Wadephul für neuen Wirbel. In der Fraktionssitzung soll er nach Angaben mehrerer Teilnehmer gesagt haben, Syrien sehe schlimmer aus als Deutschland 1945. Mehrere Teilnehmer äußerten sich irritiert über die Aussage. Ein Abgeordneter nannte den Auftritt Wadephuls in der Fraktion «schlimm» und «desaströs».
Ist die Hoffnung auf eine «Außenpolitik aus einem Guss» passé?
Sind die Hoffnungen, die der Kanzler damit verbunden hat, dass in seiner schwarz-roten Bundesregierung erstmals seit fast 60 Jahren die CDU mit dem gebürtigen Husumer (Norddeutscher Gruß auf aller Welt: «Moin») wieder den Außenminister stellt, schon nach ein paar Monaten passé?
«Wir machen jetzt eine Außenpolitik aus einem Guss», hatte Merz noch Ende August bei einer Veranstaltung der NRW-CDU geschwärmt. Außenministerium und Kanzleramt gingen Hand in Hand, quälende Diskussionen «mit einer wie auch immer gearteten Außenpolitik dieser Dame», die sich jetzt in New York auffinde, seien vorbei, sagt er in Anspielung auf Wadephuls Vorgängerin Annalena Baerbock, die zur Präsidentin der UN-Generalversammlung in New York gewählt worden war. Die Grünen-Frau hatte sich in der Ampel-Regierung gerne mit einem eigenständigen Kurs von Kanzler Olaf Scholz (SPD) abgesetzt.