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Der Attentäter von Magdeburg, Elon Musk und die verstörende Rolle von X


Autor: Robert Wagner

Magdeburg, Montag, 23. Dezember 2024

Auf X hatte sich der Attentäter von Magdeburg als Kämpfer gegen die Unterdrückung durch den Islam präsentiert. Dann tötete er fünf Menschen und verletzte mehr als 200 weitere. Nun äußerte sich X-Chef Elon Musk - und macht wiederum den "traditionellen Medien" Vorwürfe.
Mehr als 200 Menschen wurden bei der Attacke verletzt.


Er habe "keine Angst vor dem Tod". Aber er müsse "alles tun, um sich selbst zu beschützen". In einem Interview nur acht Tage vor dem Anschlag von Magdeburg, bei dem fünf Menschen starben und über 200 verletzt wurden, gab der mutmaßliche Attentäter Taleb A. Einblick in seine Gefühls- und Gedankenwelt. Veröffentlicht wurde es unter anderem auf X. 

X, vormals Twitter, spielt jedoch nicht allein deswegen eine Rolle in dem schrecklichen Anschlag vom 20. Dezember 2024. In einem neuen Post hat X-Chef Elon Musk im Zusammenhang mit dem Anschlag von Magdeburg den "traditionellen Medien" unterstellt, "wieder zu lügen". Worin diese "Lügen" aber genau bestehen soll, verriet der Milliardär nicht. 

Magdeburg-Anschlag: Musk schreibt bei X von Lügen der Medien - warum?

In dem Post hatte Musk mehrere Schlagzeilen zu dem Terroranschlag von Magdeburg geteilt, die auf den "islamophoben" Hintergrund des Attentäters abzielten. Tatsächlich ist dieser nicht nur mit Dokumenten, sondern auch durch Taleb A. eigene Worte und Posts unter anderem bei X mehr als ausreichend belegt. Dies hindert aber weder Elon Musk noch andere Verschwörungstheoretiker daran, genau dies auf der Plattform in Zweifel zu ziehen.  

X wird zunehmend zum Sammelbecken für krude Verschwörungstheorien, Hass und Fake-News. Musk selbst vertritt dort die Positionen der amerikanischen Rechten und machte sich zuletzt auch für die AfD stark, da "nur die AfD [...] Deutschland retten" könne. Und Taleb A. wiederum präsentierte sich auf X selbst als Fan von Inhaber Elon Musk und äußerte sich auf der Plattform antimuslimisch. Auch sein angesprochenes Interview mit der amerikanischen Plattform "RAIR", die sich selbst als antimuslimische Graswurzel-Organisation bezeichnet, findet sich auf X. 

Retweetet hatte Taleb A. wiederum einen Beitrag von RAIR, die sich auf ein Interview mit Alice Weidel beriefen, in dem die "furchtlose Anführerin der AfD" im Interview mit dem rechten Onlineportal nius über die "harte Realität" in Deutschland berichtet hatte. Und die besteht aus Sicht von RAIR aus "importierter Kriminalität, islamischer Bedrohung und einem Verrat der deutschen Regierung an ihrem Volk".  Weidel selbst hatte dort unter anderem gesagt, sie wolle nicht mit "einem Sack über dem Kopf vom Dach gestoßen werden", wie es ihr angeblich drohen würde. So wird durch die gegenseitige Bezugnahme der Neurechten bei X und anderen sozialen Plattformen der Anschein erweckt, die Gesellschaft werde durch äußere Einflüsse und ein Versagen des Staates bedroht - genau jene Argumentation, die sich dann auch in Taleb A. Äußerungen vor dem Anschlag in Magdeburg finden.

Taleb A bei X - welche Rolle spielte die Plattform für seine Radikalisierung?

In dem RAIR-Interview mit Taleb A. wird außerdem deutlich, dass X auch noch einen weiteren, unmittelbaren Bezug zu dem Anschlag von Magdeburg haben könnte: Denn Taleb A. sah sich von saudi-arabischen Kräften wie dem deutschen Staat bedroht. Letzterer würde ihn nicht ausreichend schützen, so Taleb A. Im Mai 2024 hätten Behörden ihm verweigert, seine Identität zu verschleiern, um ihn vor saudi-arabischen Kräften zu schützen. Stattdessen sei seine Privatadresse von den deutschen Behörden veröffentlicht worden. Tatsächlich hatte er diese wohl selbst in einem Tweet veröffentlicht - mehrere Medien hatten berichtet, diese sei dort zu sehen gewesen.

Auch Taleb A. hatte in dem Interview mit RAIR erklärt, die deutschen Behörden hätten ihn deswegen empfohlen, seinen X-Account zu löschen. Dieser Empfehlung sei er nicht nachgekommen - sah darin vielmehr ein weiteres Indiz dafür, dass die deutschen Behörden ihn mundtot machen wollten.

Nach dem Anschlag wird nun vor allem darüber diskutiert, ob die Todesfahrt hätte verhindert werden müssen. Im Fokus dabei stehen einerseits die deutschen Behörden, die wohl bereits vor mehr als einem Jahr diffuse Warnungen über Taleb A. aus Saudi-Arabien erhalten haben sollen. Anderseits die Sicherheitsvorkehrungen und Absperrungen am Magdeburger Weihnachtsmarkt, die laut Kritikern nicht ausreichend waren.

Kaum eine Rolle spielt hingegen bisher die Frage, welche Rolle die sozialen Medien in der Radikalisierung von Taleb A. gespielt haben. rowa/mit dpa