Denis Scheck beim Bamberger Literaturfestival: Roth-Händle auf Lunge
Autor: Christoph Hägele
Bamberg, Dienstag, 04. Februar 2020
Um als Literaturkritiker weiterhin gesellschaftlichen Einfluss reklamieren zu können, musste er zum Entertainer werden. Am Donnerstag eröffnete Denis Scheck das fünfte Bamberger Literaturfestival (BamLit).
Ein Literaturkritiker muss Gutes gut nennen, Mittelmäßiges mittelmäßig und Schlechtes schlecht. Er muss dem Gelungenen adjektivtrunkene Hymnen drechseln und das Missratene mit gebieterischer Geste in den Abgrund des Vergessens treten.
Den Verantwortlichen eines Literaturfestivals dagegen sind derlei Maßlosigkeiten um den Preis des wirtschaftlichen Totalschadens verboten. Sie müssen das eine Buch neben dem anderen gleichberechtigt gelten lassen. Es darf in ihrer Logik kein "besser" oder "schlechter" geben, sondern nur ein "anderes".
Damit ist die Perspektive eines Organisators die eines Buchhändlers. Es steckte deshalb auch eine tiefere Wahrheit in dem kurzen Moment, in dem Denis Scheck und Asli Heinzel am Donnerstagabend auf der Bühne des Hallstadter Kulturbodens aufeinandertrafen.
Ob er nicht einmal in ihrer Buchhandlung mitarbeiten wolle? Die von Bewunderung getragene Frage der Buchhändlerin, die seit Beginn auch zu den Organisatoren des Bamberger Literaturfestivals (BamLit) gehört, beschied Scheck mit gespielter Empörung: "Nein. Ich kann nur sagen: Augen auf bei der Berufswahl."
Eine mutige Wahl
Im Kosmos der Literatur gleichen Kritiker und Buchhändler einander fremden Planeten.
Es war im Lichte dieser Überlegungen deshalb eine mindestens gewagte Wahl, die fünfte Auflage des BamLit ausgerechnet von dem Literaturkritiker Denis Scheck eröffnen zu lassen. Im ausverkauften Kulturboden las Scheck aus seinem aktuellen Buch "Schecks Kanon". Im schwarzen Anzug und mit farblich aufeinander abgestimmter Krawatte und Einstecktuch offenbarte sich der 55-jährige Schwabe nicht nur in Stilfragen als vollendeter Gentleman. Auch gegenüber den Befindlichkeiten seiner Gastgeber erwies er sich als sensibel.
Den Autoren des diesjährigen Festivals mit literaturkritischem Besteck zu Leibe zu rücken, unterließ er höflicherweise.