"Cowboy nutzt Iqos": Ex-SPD-Politiker wirbt für Tabakerhitzer - Abgeordnete sind empört
Autor: Agentur dpa, Redaktion
Deutschland, Donnerstag, 19. Sept. 2024
Große Tabakunternehmen setzen zunehmend auf Alternativen zur Zigarette, um ihre Zukunft zu sichern. Ein Ex-SPD-Politiker fordert jetzt niedrigere Steuern - und stößt auf Widerstand.
Streit um E-Zigaretten & Co.: Große Tabakunternehmen fokussieren sich vermehrt auf Alternativen zur Zigarette, um zukünftige Erfolge zu sichern. So strebt der "Marlboro"-Hersteller Philip Morris International (PMI) an, bis 2030 "ein weitgehend rauchfreies Unternehmen zu sein". "Lucky Strike"-Produzent British American Tobacco (BAT) will bis 2035 mindestens die Hälfte seines Umsatzes mit nicht brennbaren Produkten erzielen, aktuell liegt der Anteil bei 18 Prozent.
Auch Japan Tobacco International (JTI, "Camel") investiert in rauchfreie Alternativen. Es handelt sich dabei unter anderem um Tabakerhitzer, bei denen der Tabak lediglich erhitzt und nicht verbrannt wird. Dadurch sollen weniger Schadstoffe freigesetzt werden, was die Unternehmen als bessere Alternative zur herkömmlichen Zigarette präsentieren. Auch E-Zigaretten und Nikotinbeutel gewinnen für die Branchenriesen zunehmend an Bedeutung, wie auf der kommenden Dortmunder Messe Intertabac ersichtlich sein wird.
Philip Morris verkauft elf Milliarden mehr Zigarettenalternativen - "langfristig aussteigen"
Seit 2008 hat Philip Morris bereits über 12,5 Milliarden Dollar (11,3 Milliarden Euro) in rauchfreie Produkte investiert. Der Konzern bemüht sich um Werbung und wandte sich kürzlich mit dem Slogan "Deutschland, hör auf zu rauchen" an die Öffentlichkeit. Dennoch planen die Unternehmen nicht, den Verkauf von Zigaretten bald einzustellen – das Geschäft bleibt weiterhin profitabel. In Deutschland raucht etwa jeder dritte Erwachsene.
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Der Absatz von Zigaretten ist rückläufig: 2022 ging er um 8,3 Prozent zurück, 2023 betrug der Rückgang 2,7 Prozent auf 64 Milliarden Stück. Die Geschäftsaussichten für die Hersteller trüben sich ein. Zudem verschärfen politische Maßnahmen gegen den krebserregenden Zigarettenkonsum die Lage. So fordert die EU-Kommission mehr rauchfreie Zonen, um Menschen vor Passivrauchen zu schützen. Spielplätze, Haltestellen und Bahnhöfe sollen künftig rauchfrei sein. Brüssel strebt bis 2040 eine "tabakfreie Generation" mit weniger als fünf Prozent Rauchern an.
Angesichts dieses politischen Gegenwinds setzen Tabakunternehmen verstärkt auf Alternativprodukte, um auf Kurs zu bleiben. Im zweiten Quartal 2024 verkaufte Philip Morris weltweit 35,5 Milliarden Sticks für Tabakerhitzer – nahezu elf Milliarden mehr als zwei Jahre zuvor. Der Anteil von PMI's Iqos am Tabakmarkt stieg laut Unternehmensangaben im selben Zeitraum von 3,6 auf 5,1 Prozent. Auch BAT und JTI verstärken ihr Engagement in Tabakerhitzer, wobei PMI mit seiner Marke Iqos als Pionier vorangeht. "Wir wollen langfristig aus dem Zigarettengeschäft aussteigen und nur noch auf schadstoffreduzierte Alternativen setzen", erklärt Torsten Albig, Cheflobbyist von Philip Morris Deutschland.
"Krebsrate viel niedriger": Tabaklobbyist Albig fordert niedrigere Steuern auf Erhitzer und E-Zigaretten
Dabei fordert der frühere SPD-Politiker staatliche Unterstützung: "Steuern rauf auf Zigaretten, aber Steuern runter bei Alternativen, deren Schadstoffprofil vergleichsweise gering ist." Das bestehende Werbeverbot für Tabakerhitzer und E-Zigaretten sieht er kritisch. "Lasst uns zeigen, dass der Cowboy jetzt nicht mehr Marlboro raucht, sondern Iqos nutzt – die Menschen folgen so einer Botschaft." Auch bei E-Zigaretten sind die großen Konzerne aktiv.
Zudem gibt es tabakfreie Nikotinbeutel als Alternative zum Rauchen, die im Mund an Backe oder Oberlippe eingeklemmt werden. Diese sind in Deutschland nicht legal zu kaufen, aber in anderen EU-Staaten. Tabaklobbyist Albig hält das für unverständlich. "Eine reine Verbotsstrategie war noch nie irgendwo erfolgreich", meint er und argumentiert, dass dadurch der Schwarzmarkt gefördert werde.