Bundesverfassungsgericht entscheidet über Wahlrecht: Linke und CSU könnten aus dem Bundestag fliegen
Autor: Agentur dpa
Karlsruhe (Baden), Dienstag, 23. April 2024
Am Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe wird über die Wahlrechtsreform der Ampel-Koalition verhandelt. Das neue Gesetz könnte vor allem der CSU und der Linken schaden.
Das Bundestagswahlrecht ist ein Dauerthema in Karlsruhe. Erst Ende November 2023 hat das Bundesverfassungsgericht ein Urteil dazu gefällt - nun muss es sich schon wieder damit befassen.
Damals stand die zu diesem Zeitpunkt schon überholte Wahlrechtsreform der großen Koalition aus dem Jahr 2020 auf dem Prüfstand. Nun geht es um die wesentlich weitergehende Reform der Ampel-Koalition aus dem vergangenen Jahr.
Warum wurde das Wahlrecht schon wieder geändert?
Die 2020 von der großen Koalition aus CDU/CSU und SPD verabschiedete Wahlrechtsreform hat schlicht nicht das bewirkt, was sie hätte bewirken sollen - eine Verkleinerung des Bundestags. Von vornherein von ihren Kritikern als Reförmchen verspottet, schaffte sie es lediglich, den Anstieg der Abgeordnetenzahl zu bremsen. Der Bundestag wuchs bei der Wahl 2021 von 709 auf 736 Abgeordnete - und ist damit weiterhin das größte frei gewählte Parlament weltweit.
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Das im vergangenen Jahr mit den Stimmen von SPD, Grünen und FDP beschlossene neue Wahlrecht deckelt die Sitzzahl bei 630. Gewählt wird weiter mit Erst- und Zweitstimme. Es gibt aber keine Überhang- und Ausgleichsmandate mehr. Überhangmandate entstanden bisher, wenn eine Partei über die Erststimmen mehr Direktmandate im Bundestag gewann als ihr Sitze nach dem Zweitstimmenergebnis zustanden. Diese Überhangmandate durfte sie behalten. Die anderen Parteien erhielten dafür Ausgleichsmandate. Dieses System führte zu einer immer größeren Aufblähung des Bundestags. Für die Zahl der Sitze einer Partei im Parlament ist künftig allein ihr Zweitstimmenergebnis entscheidend.
Auch die Grundmandatsklausel fällt weg. Nach ihr zogen bisher Parteien, die unter der Fünf-Prozent-Hürde lagen, auch dann in der Stärke ihres Zweitstimmenergebnisses in den Bundestag ein, wenn sie mindestens drei Direktmandate holten.
Was stört die Kläger an diesen Regelungen?
Künftig wird jede Partei nur noch so viele Mandate erhalten, wie ihr nach ihrem Zweitstimmenergebnis zustehen - auch dann, wenn sie mehr Direktmandate geholt hat. Dann gehen die Wahlkreisgewinner mit dem schlechtesten Erststimmenergebnis leer aus. Dies wird vor allem von der CSU kritisiert, aber auch von der CDU. Der Grund ist einfach: Bei der Bundestagswahl 2021 gewann die CSU 45 Direktmandate, kam aber nur auf ein bundesweites Zweitstimmenergebnis von 5,2 Prozent. Sie erhielt so 11 Überhangmandate, die sie nach dem neuen Wahlrecht nicht mehr bekäme. Weitere 12 Überhangmandate holte die CDU in Baden-Württemberg. Zusammen waren das 23 von insgesamt 34 Überhangmandaten, die wiederum 104 Ausgleichsmandate zur Folge hatten.
Der Wegfall der Grundmandatsklausel empört auch die Linke. Denn sie hat von dieser Regelung bislang besonders profitiert. Bei der Bundestagswahl 2021 kam sie zwar nur auf 4,9 Prozent der Zweitstimmen, aber Gregor Gysi (Berlin), Gesine Lötzsch (Berlin) und Sören Pellmann (Leipzig) gewannen jeweils ein Direktmandat - und die Linke zog mit 39 Abgeordneten in den Bundestag ein. Bei der Wahl 1994 holte die Linke-Vorgängerpartei PDS sogar nur 4,4 Prozent der Zweitstimmen. Doch dank vier in Berlin gewonnener Direktmandate entfielen auf sie 30 Sitze im Bundestag.