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Bundestagswahl 2017: Erlebt Deutschland seinen Trump-Moment?


Autor: Christian Reinisch

Bamberg, Sonntag, 24. Sept. 2017

Die große Koalition wurde ind er Bundestagswahl 2017 abgestraft. Union und SPD haben viele Prozentpunkte verloren, die AfD ist in den Bundestag eingezogen.


Erlebt Deutschland jetzt seinen Trump-Moment? Also den Moment, in dem eine auf Hass, Ressentiments und Ängsten gründende populistische Kampagne dazu geführt hat, dass sich die Machtverteilung im Lande durch eine Wahl grundstürzend verändert? Man kann das so sehen, da es Parallelen gibt - jedenfalls in der Art und Weise, wie da eine rechtsradikale Partei den Unmut der Unzufriedenen mobilisiert hat. Allerdings endet der Vergleich mit den USA spätestens beim Wahlsystem: In Deutschland wird ein Parlament gewählt, kein Präsident - und auch keine Kanzlerin.


Die große Koalition wurde abgestraft

Man muss das betonen, denn auch wenn dieser 24. September 2017 eine Zäsur darstellt für das deutsche Parlament, verbunden mit einer ernsthaften Herausforderung für unsere Demokratie und ihre Institutionen: Ja, die AfD ist mit einem fulminanten Ergebnis in den Bundestag eingezogen. Und dennoch haben rund 85 Prozent der Wähler einer jener Parteien die Stimme gegeben, die von den Rechtsaußen als "Systemparteien" geschmäht werden. "Das Volk", dessen "wahre Stimme" die AfD zu sein beansprucht, hat jedenfalls mit breiter Mehrheit klar gemacht, dass es nicht von den Populisten repräsentiert werden will. Die Stimmengewinne vor allem für die FDP, aber auch für Grüne und Linke zeugen von dem Willen vieler Wähler, der rechtspopulistischen Herausforderung etwas entgegenzusetzen. Nämlich echte Alternativen.

Aber das alles darf kein Grund zur Beruhigung sein - es ist ein anstrengender Auftrag, der sich an alle demokratischen Kräfte im neuen Bundestag richten wird: Sie werden sich der Provokationen von rechts erwehren müssen, sie werden die AfD bei den Sachthemen stellen und die Hohlheit ihrer "einfachen Lösungen" entlarven müssen. Und sie werden vor allem gefordert sein, dass das Profil der Parteien wieder kenntlich wird. Die große Koalition jedenfalls ist auch deshalb massiv abgestraft worden. Es ist das Schicksal gerade der SPD, dass sie für ihr Wirken als Juniorpartner einer Unions-Regierung bitter bezahlt. Und es ihr nichts nützt, wenn sie darauf verweist, wie viel sozialdemokratische Politik sie durchsetzen konnte. Das Paradox für die GroKo bei dieser Wahl lässt sich auf diese Formel bringen: Die SPD ist abgestürzt trotz ihrer sozialdemokratischen Politik, Merkels CDU/CSU muss büßen wegen zu viel sozialdemokratischer Politik.


Merkels vierte Amtszeit wird ihre schwerste

Der SPD bleibt nach dieser verheerenden Niederlage schon aus Gründen der Selbsterhaltung nichts anderes als der Gang in die Opposition. Große Koalitionen sollten ohnehin die Ausnahme bleiben - denn mangels Streits in der politischen Mitte führen sie nahezu zwangsläufig zum Erstarken extremer Ränder. Der nächsten Regierung Merkel ist jedenfalls dringend eine starke und zugleich konstruktive Opposition zu wünschen. Das kann nur die SPD sein - auch wenn sie Zeit brauchen wird, bis ihre Wunden heilen.

Und die Kanzlerin? Sie hat Federn lassen müssen, so dass ihre vierte Amtszeit vermutlich ihre schwerste wird. Das beginnt mit der Bildung einer stabilen Regierung: Wenn die SPD ausfällt, darf sie sich mit FDP und Grünen auf streitbare und wenig handzahme Partner freuen. Zugleich werden sich die konservativen Kritiker aus den eigenen Reihen wieder auf Merkel einschießen - allen voran die schwer gerupfte CSU.