Richter-Kandidatin wehrt sich: Bin nicht ultralinks
Autor: Theresa Münch, Ulrich Steinkohl und Torsten Holtz, dpa
, Dienstag, 15. Juli 2025
Vergangene Woche scheiterte die Wahl neuer Verfassungsrichter im Bundestag. Zu viele in der Union halten die SPD-Kandidatin für unwählbar. Diese stellt nun einiges klar. Doch hilft das weiter?
Ist sie eine Linksradikale und deshalb unwählbar als Richterin am Bundesverfassungsgericht? Die SPD-Kandidatin Frauke Brosius-Gersdorf meldet sich erstmals seit der geplatzten Wahl im Bundestag selbst zu Wort - und weist öffentliche Vorwürfe deutlich zurück. «Die Bezeichnung meiner Person als "ultralinks" oder "linksradikal" ist diffamierend und realitätsfern», schreibt die Juristin in einer Stellungnahme, die sie über eine Anwaltskanzlei veröffentlichte.
Das Schreiben liegt der Deutschen Presse-Agentur vor. Zuerst hatten ZDF und Deutschlandfunk darüber berichtet. Darin wirft Brosius-Gersdorf auch Teilen der Medien vor, ihre Berichterstattung sei «unzutreffend und unvollständig, unsachlich und intransparent» gewesen. «Sie war nicht sachorientiert, sondern von dem Ziel geleitet, die Wahl zu verhindern.» Kritik müssten sich auch «einzelne staatliche Funktionsträger gefallen lassen».
Merz bleibt dabei: Richterwahl in Ruhe besprechen
Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) machte deutlich, dass er auch nach der Stellungnahme an seinem Kurs festhalten will, das weitere Vorgehen in den kommenden Wochen zu besprechen. «Dazu habe ich am Wochenende alles Notwendige gesagt», sagte er nach dem Besuch einer bayerischen Kabinettssitzung auf der Zugspitze. «Wir sprechen in der Koalition in Ruhe darüber, wie wir das lösen.» CSU-Chef Markus Söder sagte auf Nachfrage zu der Stellungnahme: «Unsere Einschätzung ist die gleiche.»
Eigentlich sollte Brosius-Gersdorf am vergangenen Freitag im Bundestag zusammen mit einer weiteren Richterin und einem Richter für Karlsruhe gewählt werden. Doch die Wahl wurde kurzfristig von der Tagesordnung genommen, weil die Führung der Unionsfraktion die mit der SPD verabredete Unterstützung für die Jura-Professorin nicht mehr garantieren konnte.
Mehrere Unionsabgeordnete bezeichneten Brosius-Gersdorf öffentlich als ungeeignet und unwählbar, andere ließen sich anonym zitieren, die Juraprofessorin sei «eine ultralinke Juristin». Begründet wurde das unter anderem mit Äußerungen von Brosius-Gersdorf zu Corona-Impfungen und mit ihrer Haltung zu Abtreibungen.
Fraktionschef Jens Spahn räumte in dieser Woche in einem Schreiben an die Fraktion ein: «Die Dimension der grundlegenden und inhaltlich fundierten Bedenken gegen eine der Kandidatinnen haben wir unterschätzt.» Und: «Die Notbremse am Freitag kam zu spät.» Man sei nicht mehr in der Lage gewesen, einen Kompromiss mit der SPD zu finden.
Was Brosius-Gersdorf selbst dazu sagt
Die Juristin äußert sich in ihrer schriftlichen Stellungnahme ausführlich zu den Vorwürfen. «Ordnet man meine wissenschaftlichen Positionen in ihrer Breite politisch zu, zeigt sich ein Bild der demokratischen Mitte», betont sie etwa. Einseitige Zuschreibungen wie «ultralinks» und «linksradikal» entbehrten der Tatsachen. «Sie beruhen auf einer punktuellen und unvollständigen Auswahl einzelner Themen und Thesen, zu denen einzelne Sätze aus dem Zusammenhang gerissen werden, um ein Zerrbild zu zeichnen.»