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"Bluthochzeit" auf der Luisenburg


Autor: Rudolf Görtler

Wunsiedel, Montag, 18. Juli 2016

Mit García Lorcas "Bluthochzeit" ist auf der Luisenburg ein ambitioniertes Projekt zu sehen. Es vereint Tanztheater mit Schauspiel.
Leonardo (Marc Schöttner) vor trotz weißer Kleidung bedrohlichen Gestalten in García Lorcas "Bluthochzeit" auf der Luisenburg Foto: Florian Miedl


Schwere Kost. Dass es an diesem Abend nichts zu lachen gibt, erhellt schon die Eingangsszene, als eine Schar stummer Gestalten von den Hügeln steigt und einen Leichensack pendeln lässt. Man denkt an den Ku-Klux-Klan. Oder an den Chor antiker Tragödien. Oder an Osterprozessionen in Andalusien.

Und sitzen da nicht drei Parzen vor der stilisierten Wohnstube auf der Luisenburg-Bühne? Wie große schwarze Totenvögel lauern die Nachbarinnen auf das Schicksal, das sich unerbittlich vollenden wird, vollenden muss. Federico García Lorca hat seine "lyrische Tragödie" "Bluthochzeit" als ersten Teil einer Trilogie 1932 geschrieben. Bis heute wird das Drama um archaische Zwänge und Sehnsucht nach Befreiung, um Blutrache und Begierde viel gespielt. Eva-Maria Lerchenberg-Thöny, die Ehefrau des Intendanten Michael Lerchenberg, hat es für die Luisenburg-Festspiele adaptiert und ein erstmals auf der Felsenbühne zu sehendes Genre geschaffen: Tanztheater-Schauspiel.


Mittelalterlicher Moralkodex

Nun war das Andalusien um 1930, die Heimat des Autors, eine Region, die noch im Mittelalter lebte. Feudaler Großgrundbesitz auf der einen Seite, Armut auf der andern, die zudem von rigiden Moralkodizes stranguliert wurde: Ehre, Blutrache, der Kult um die Jungfräulichkeit, vergleichbar mit muslimischen Fundamentalismen heute.

Absicht dieser aufwändigen Inszenierung war, eine universell anwendbare Parabel über den Gegensatz von individueller Sehnsucht nach Freiheit und kollektiven Zwängen zu zeigen - hatte der homosexuelle García Lorca schon darunter gelitten, sich zu seiner Veranlagung nicht einmal bekennen zu können, geschweige sie auszuleben?

Die Oppression zeigt die "Bluthochzeit" sehr gut. Wir sehen, wie sich die Braut (Maria Kempken) - bis auf die männliche Hauptperson "Leonardo" sind alle Figuren typisiert ohne Namen - ihrem Vater zu Füßen wirft, wie eben dieser Leonardo (Marc Schöttner) vor dem Chor einen (Toten-)Tanz aufführt. Schwarz gekleidete Menschen (Ausstattung Sascha Gross), brodelnde Emotionen, die hinter einem Gemütspanzer lauern. Bruder und Vater des Bräutigams (Peter Scheufler) sind ermordet worden, jetzt will ihn seine Mutter (Katy Karrenbauer) verheiraten. Der Vater (Paul Kaiser) der Braut ist angetan, sie selbst bleibt kühl. Eine Vernunftheirat des Geldes wegen schreckt sie, die mit ihrem Liebhaber Leonardo wahre Liebe kennen gelernt hat. Am Tag der Hochzeit finden die Braut und ihr früherer Liebhaber in einem leidenschaftlichen Paarungstanz wieder zueinander. Ihre Flucht endet mit einem Messerkampf zwischen Bräutigam und Liebhaber. Am Ende liegen zwei Leichen in Säcken und die Mutter "altert und weint bei geschlossener Tür".

Nicht leicht war es, dieses düstere Drama zu besetzen. Mussten die Darsteller doch schauspielern können und die ehrgeizige Choreographie Lerchenberg-Thönys umsetzen. Besonders Marc Schöttner schafft das hervorragend, was auch mit dem diesjährigen Nachwuchs-Förderpreis der Stadt Wunsiedel honoriert worden ist (den Nachwuchspreis der Rehau-Werke erhielt Fabian-Joubert Gallmeister für seinen "Rum Tum Tugger" in "Cats"). Er hat mit Maria Kempken eine ebenbürtige Partnerin an der Seite oder besser als Widerpart. Ihr Tanz, der zwischen Begehren und Widerstreben, Liebe und Hass oszilliert, ist der Höhepunkt der rund zweistündigen Aufführung. Dazu passt naturgemäß die tangobasierte Musik Astor Piazzollas, die konterkariert wird von elegischen Klängen Krzysztof Pendereckis und anderer. Der finale Kampf zwischen dem Bräutigam und seinem Rivalen wird begleitet von A-cappella-Stampfen auf den eigens verlegten Bühnenboden, wie man es von Carlos-Saura-Filmen kennt. Der etwa in "Anna und die Wölfe" die Dämonen Spaniens ganz ähnlich wie García Lorca benannte.
Nun heißt das Drama "lyrische Tragödie". Soll heißen, dass eine hoch poetische, bilderreiche, mit ihren Anspielungen auf urspanische Mythen schwer verständliche Sprache kultiviert wird, die Regisseurin Lerchenberg-Thöny nahezu unverändert übernimmt. Das macht es dem Zuschauer nicht leichter. Allegorische Figuren wie "Tod" als Bettlerin und "Mond" treten als Archetypen auf und steigern das Entschlüsselungsbedürfnis.

Dennoch geht man tief beeindruckt aus dem Areal. Das ist ein Verdienst vor allem auch Katy Karrenbauers als Mutter, der eigentlichen Hauptfigur. Man kennt die Aktrice vornehmlich aus einer läppischen RTL-Serie; hier beweist sie, was eine nicht mehr junge Schauspielerin als unverwechselbarer Typ mit einer einzigartigen Stimme leisten kann. Ob das archaische Spiel auf die Jetztzeit zu übertragen ist: Das muss jeder selbst entscheiden. Es bleibt schwere Kost.


Termine und Karten
Weitere Vorstellungen am 19., 20., 23., 29., 31. Juli und 6. August
Karten Tel. 09232/602162, E-Mail tourist-info@wunsiedel.de
Weitere Infos (Sitzplan) www.luisenburg-aktuell.de