Blackout-Angst geht um: Wie wahrscheinlich Stromabschaltungen wirklich sind
Autor: Svenja Hentschel
Deutschland, Mittwoch, 14. Dezember 2022
Der Leiter des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe warnte in einem Interview vor kommenden Blackouts. Die Behörde korrigierte die Aussage nachträglich. Jetzt erklären Experten, was wirklich zu befürchten ist.
- Uneinigkeit beim Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe
- Krisenexperten zur Wahrscheinlichkeit großflächiger Blackouts
- Was ist eigentlich ein Blackout und was ein Brownout?
- Drei Arten von Stromausfällen
"Wir müssen davon ausgehen, dass es im Winter Blackouts geben wird." Das sagte der Präsident des Bundesamts für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK), Ralph Tiesler, in einem Interview mit der Welt am Sonntag vom 19. November 2022. Einen Tag später erschien auf der Webseite des BBK eine Pressemitteilung mit dem Titel "Klarstellung des BBK".
Sorge vor Blackout in Deutschland nach Interview von BBK-Präsident
Ein großflächiger Stromausfall - also ein Blackout - in Deutschland sei "äußerst unwahrscheinlich", heißt es darin. Das elektrische Energieversorgungssystem verfüge "über zahlreiche Sicherungsmechanismen, um das Stromnetz bei Störungen zu stabilisieren." Tiesler habe sich in dem Interview auf regional und zeitlich begrenzte Abschaltungen bezogen, um die Gesamtversorgung weiter sicherzustellen. Damit habe er die "grundsätzliche Bedeutung von Vorsorgemaßnahmen" hervorheben wollen. Die Wahrscheinlichkeit von begrenzten erzwungenen Abschaltungen sei aber gering und man bedauere missverständliche Formulierung.
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Die nachträgliche Korrektur der Aussage des BBK-Leiters trägt nicht gerade dazu bei, dass Bürger*innen Vertrauen in die Behörde haben. Der Krisenforscher Frank Roselieb sagt dazu gegenüber Focus Online: "Die ‚Klarstellung‘ des BBK deckt sich leider mit dem fatalen Bild, das die Krisenpolitik der amtierenden Bundesregierung seit einiger Zeit erzeugt." Der Ordnungsruf des Amtes an seinen eigenen Präsidenten käme zu einer Unzeit. Gerade in einer Zeit der Krisen würden Menschen nach Verlässlichkeit suchen.
Unrecht habe Tiesler mit seiner Aussage allerdings nicht gehabt, meint Experte Roselieb. "Hier hat sich nicht irgendein vorlauter 22-jähriger Katastrophenpraktikant geäußert, sondern ein 62-jähriger, äußerst erfahrener Katastrophenschützer mit drei Jahrzehnten Berufserfahrung." Die Formulierungen seien vielleicht teilweise missverständlich gewesen. Im Grundsatz entsprechen die Aussagen von Tiesler aber dem Ergebnis von den "Sonderanalysen Winter 2022/2023" der vier Übertragungsnetzbetreiber, die im September 2022 erschienen sind.
"Versorgungssituation äußerst angespannt"
Darin heißt es: "In allen drei betrachteten Szenarien zeigt sich die Versorgungssituation im kommenden Winterhalbjahr äußerst angespannt - in Europa kann im Strommarkt die Last nicht vollständig gedeckt werden." Außerdem: "In den beiden kritischeren Szenarien treten in einigen Stunden Lastunterdeckungen auch in Deutschland auf." Insgesamt wurden in der Sonderanalyse drei mögliche kritische Szenarien betrachtet.
"Genau das war auch die Kernaussage von Ralph Tiesler", so Krisenexperte Roselieb gegenüber Focus Online. Der BBK-Leiter hat im Interview mit der Welt am Sonntag gesagt: "Das Risiko steigt ab Januar und Februar, sodass wir davon ausgehen, dass es von da an stellenweise für eine gewisse Zeit zu Unterbrechungen der Stromversorgung kommt.“